Ehrenamtlich Peer-Berater bei der Online-Suizidprävention für Jugendliche

Von Jugendlichen für Jugendliche

Christin Triebkorn ist Rehabilitationspädagogin und Standortleitung der [U25] Online-Suizidprävention am Standort Dortmund. Die Onlineberatung richtet sich an suizidgefährdete junge Menschen. Gleichaltrige beraten dort Gleichaltrige. Ehrenamtlich. Anonym. Kostenlos. Hast du Lust ehrenamtlicher Peer-Berater zu werden? Christin Triebkorn verrät dir, welche Aufgaben auf dich zukommen:

Was ist das Besondere an [U25]?

Christin Triebkorn: Wir beraten Jugendliche in suizidalen Krisen. Das besondere an [U25] ist die Peer-Beratung. [U25] ist von jungen Menschen für junge Menschen. Die Beratung der Ratsuchenden führen ehrenamtliche junge Menschen aus, die im ähnlichen Alter sind wie die Ratsuchenden. 

Wie funktioniert die [U25]-Onlinesuizidprävention?

Ratsuchende können sich entweder über das Onlineportal der Caritas oder über unsere eigene Internetseite www.u25-deutschland.de registrieren. Danach bekommen sie eine generierte automatische Erstmail. Da stehen die wichtigsten Punkte drinnen. Zum Beispiel, dass sie anonym sind und keine persönlichen Sachen von sich Preis geben sollen, die auf ihre Person zurückführen, wie Name, Instagram-Name oder Mailadresse, dass wir der Schweigepflicht unterliegen und, dass im Hintergrund Fachkräfte arbeiten und den gesamten Mailverlauf mitlesen. Uns ist es wichtig transparent zu sein. Es steht auch darin, dass sie innerhalb der nächsten zwei Werktage eine persönliche Nachricht erhalten werden. Für den Fall, dass jemand schneller Hilfe benötigt, schreiben wir auch die Nummer der Telefonseelsorge und den Notruf dazu. So wissen die Ratsuchenden, dass wir kein Angebot sind, das ad hoc reagiert, sondern zeitversetzt. 

Was mache ich als Peer-Berater?

Die erste Mail eines Ratsuchenden ist für uns alle im Beratungssystem der Caritas sichtbar. Anschließend frage ich die Ehrenamtlichen: Wer kann sich vorstellen diesen Kontakt zu übernehmen? 

Kann ich selbst entscheiden, welchen Ratsuchenden ich übernehme?

Das ist total wichtig, dass jeder selbst entscheiden kann, mit wem er in Kontakt treten möchte. Es ist menschlich, dass es Themen gibt, bei denen du das Gefühl hast: Ne, da bin ich mir unsicher oder mit dem Thema möchte ich mich nicht so tief auseinandersetzen. 

Was passiert, wenn ich mich einem Ratsuchende annehmen möchte?

Ich weise dir als Peer den Kontakt zu und ab jetzt schreibst nur du mit diesem Ratsuchenden Mails. 

Ist das für mich als Ehrenamtliche nicht eine zu große Verantwortung?

Ich als hauptamtliche Fachkraft lese im Hintergrund alle Mails, die rein und rauskommen, mit. Wenn du als neuer Ehrenamtlicher die Peerausbildung abgeschlossen hast, schickst du mir mindestens drei Monate die Mails zu. Ich lese drüber und gebe Hinweise oder Anmerkungen, bevor du die Mail abschickst. Als Absicherung bis du Routine bekommen hast und damit du nicht auf dich alleine gestellt bist.

Gibt es diese Möglichkeit für alle Ehrenamtlichen bei [U25]?

Ja und die wird total gerne angenommen. Du hast immer einen Ansprechpartner bei Fragen. 

Wie lange habe ich Zeit, um auf eine Mail zu antworten?

Im normalen Mailkontakt sind es immer sieben Tage. Die bleiben bestehen, auch wenn es eine sehr akute Situation ist. 

Wie lange läuft eine Beratung?

Wir haben ganz intensive Kontakte, die monate- oder jahrelang andauern. Gerade Krisen oder suizidale Krisen sind nicht von heute auf morgen weg. Das kann immer wieder ein auf und ab sein.

Kann es passieren, dass Beratungen abbrechen?

Ja, das ist Beratungsalltag. Das muss nicht unbedingt mit einer Suizidankündigung sein. Das kann tausend Gründe haben, die wir niemals erfahren werden. Das brauchst du nicht hinterfragen. 

Was mache ich, wenn ich überfordert bin?

Es ist menschlich, wenn dich eine Beratung auch mal mitnimmt, weil du dich mit Schicksalen auseinandersetzt, die berührend sind und belastend sein können. Aber in so einem Fall bin ich als Standortleitung in einem sehr engen Austausch mit den Ehrenamtlichen. Wir reden und schauen, was du brauchst, damit du wieder eine Grenze ziehen kannst und dich nicht zu sehr verantwortlich fühlst. 

Wie wichtig ist es als Berater oder als Beraterin diese eigenen Grenzen zu ziehen?

Das ist total wichtig sich mit seinen eigenen Grenzen auseinander zu setzen. Ich kann nicht einschätzen, was deine Grenzen sind, das musst du für dich herausfinden. Dazu ermutigen wir unsere Ehrenamtlichen. Das leben wir im Team. Generell Haltungsarbeit und Selbstfürsorge. Was kann ich tun, damit es mir gut geht? Was mache ich in stressigen Situationen? Was mache ich, wenn mich Mails mehr belasten, als ich gedacht hätte? 

Kann ich auch aus einer Beratung aussteigen und eine Ratsuchende abgeben?

Natürlich ist es jederzeit möglich, dass Ehrenamtliche sagen: Ich brauche eine Pause. Dann werden Ratsuchende darüber informiert und von jemand anderem betreut. Du kannst den Kontakt auch abgeben. 

Wie gehe ich als Beraterin oder Berater damit um, wenn sich Ratsuchende das Leben nehmen?

Natürlich kann es vorkommen, dass es eine Suizidankündigung gibt und du danach nichts mehr von dem Kontakt hörst. Wir reden darüber und versuchen Abschiedsrituale zu finden. Zum Beispiel eine letzte Mail schreiben und das sagen, was du ihm oder ihr mitgeben möchtest. Wir geben dem im Team Raum. Häufig ist es so, dass unsere Ehrenamtlichen total gut damit umgehen und einen positiven Umgang für sich gefunden haben, weil sie sagen: Wir haben alles getan, was wir hätten tun können. Wir waren da, wir hatten ein offenes Ohr. Wir sind lebensbejahend und wünschen uns für jeden jungen Menschen in einer suizidalen Krise, dass er es schafft, sich für das Leben zu entscheiden und seine Lebensumstände so zu verändern, dass er wieder einen Sinn in seinem Leben sieht. Aber manche schaffen es leider nicht. Das müssen wir akzeptieren. Unsere Beratung hat Grenzen. 

Was passiert, wenn ich mir als Berater die Schuld am Suizid meines Ratsuchenden gebe?

Da versuchen wir immer gegenzusteuern, weil wir keine Verantwortung für das Leben anderer haben. Es ist wichtig, dass du dir nicht Verantwortungen auf die Schultern packst, die du nicht hast. 

Erhalte ich als Peer-Berater- oder Beraterin auch positive Rückmeldungen von Ratsuchenden?

Unsere Ehrenamtlichen erhalten ständig positive Rückmeldungen. Ratsuchende schreiben: „Mensch, danke, dass du da bist. Danke, dass du mir zuhörst. Das tut so gut. Das ist schön, dass das anonym ist.“ Diese Dankbarkeit ist von Seiten der Ratsuchenden zu spüren. 

Warum ist die Onlinesuizidberatung [U25] so wichtig?

Das Feedback der Ratsuchenden zeigt, wie wichtig unser Angebot ist. Wir brauchen junge Menschen, um dieses Thema zu enttabuisieren. Danke, dass es so viele junge Menschen gibt, die bereit sind, sich dem Thema Suizid oder Suizidprävention anzunehmen.

Ronja Goj, In: Pfarrbriefservice.de
 

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Text: Ronja Goj
In: Pfarrbriefservice.de