Alkoholismus: Vom Suchen über die Sucht zum Siechtum

Wege aus der Abhängigkeit

Noch schneller als im Telegrammstil versucht ein asiatisches Sprichwort die Gefahren und die Eigendynamik eines in die seelische und körperliche Abhängigkeit führenden Umgangs mit Alkohol zu schildern: „Zuerst nimmt der Mann einen Schluck, dann nimmt der Schluck einen Schluck und zuletzt nimmt dann der Schluck den Mann“.

Zur Zeit sind etwa 2,5 Millionen Bundesbürger alkoholabhängig. Jährlich sterben in Deutschland ca. 42.000 Menschen an den direkten oder indirekten Folgen von übermäßigem Alkoholkonsum. Dabei werden die Trinker immer jünger und das Konsummuster viel extremer. Immer mehr Jugendliche betrinken sich exzessiv und enden mit einer Alkoholvergiftung im Krankenhaus. Mit Angeboten, wie dem einer „Flatrate“ („Sauf-Pauschale“) und den so genannten „Alkopops“ (Mixgetränken), entwickelt sich der Alkoholkonsum der schon 12- bis 17-Jährigen (hier immer mehr Mädchen) zu einem regelrechten „Komatrinken“. Diese Alkopops mit ihrem hohen Alkoholanteil haben leider ein „hippiges“ und „trendiges“ Image und werden deshalb trotz des Abgabeverbotes bereits von 12- bis 15-Jährigen entsprechend stark konsumiert. Das „Saufen, bis der Arzt kommt“ gilt in manchen jugendlichen Kreisen als „geil“ oder „cool“. Das in all diesen Fakten und Beobachtungen schlummernde Gefahrenpotential erlaubt die Bemerkung, dass es sich beim Alkohol bereits um eine „Volksdroge“ („Volksseuche“) handelt.

Welche Schäden können entstehen?

Fettleber, Magenbluten, Herzmuskelschäden, Entzündungen der Bauchspeicheldrüse, Gefäß-Verkalkung, Zwölffingerdarmgeschwüre, Brechreize und Appetitlosigkeit, Schlafstörung, Sehstörung, Atemnot,  Kreislaufprobleme sind nur einige der körperlichen Schäden. Abhängigkeit, Gedächtnisverlust, erhöhte Reizbarkeit und Kränkbarkeit, Kontaktprobleme, aggressives Verhalten, schnelles Explodieren oder Niedergeschlagenheit, Enthemmung, innere und äußere Unruhe, Leistungsabfall, eine eingeschränkte Reaktionsfähigkeit sind häufige seelische Begleiterscheinungen. Damit eng verbunden sind soziale Schäden wie: Zerbrechen von Partnerschaften, Ehe und Familie, Verlust des Arbeitsplatzes, Beschaffungs- und Verkehrskriminalität, Schulden und finanzielle Probleme.

Am Anfang steht oft eine Neugierde, das Erlebnis des Rausches, nicht selten die „Sehnsucht“ nach etwas, was das Leben „erfüllt“, die Suche nach Lebenssinn, der Wunsch nach der wirklichen Erleichterung und die anfängliche Erfahrung, dass der Alkoholgenuss einem tatsächlich „helfen“ kann, zumindest kurzfristig der rauen Wirklichkeit zu „entfliehen“. Der Alkohol scheint dabei immer mehr all das zu „ersetzen“, was wir alle suchen: Geborgenheit, Ruhe, Sicherheit, Gemeinschaft, Glück und Lebenssinn. Zur Sucht führt Alkohol immer mehr, je intensiver er für jemanden eine Flucht weg vom Unerträglichen oder eine Flucht hin zum Unerreichbaren wird. Es kommt dann unwillkürlich zur Dosis-Steigerung, zur größeren Abhängigkeit. Es entsteht Kontrollverlust. Der oder die Betreffende kann nicht mehr aufhören und ist bald bereit, sich das Suchtmittel um jeden Preis zu beschaffen. Zu dieser seelischen Abhängigkeit kommt dann noch die körperliche hinzu, das heißt: Beim abrupten Absetzen des Suchtmittels kommt es zu schweren körperlichen Entzugserscheinungen, wie: Zittern und Kreislaufprobleme bis hin zum Kollaps und zu Halluzinationen usw. Am Ende der „Alkohol-Karriere“ steht häufig das schleichende Siechtum, der körperliche, seelische und geistige Zerfall („Leberzirrhose“ und „Korsakowsyndrom“).

Wege aus der Abhängigkeit

  • Wer selber spürt, dass er Probleme mit Alkohol hat oder sein Partner, seine Partnerin offensichtlich unter seinem Trinkverhalten leidet, sollte sofort, bevor es zur kritischen Phase der Sucht kommt, eine Selbsthilfegruppe aufsuchen oder fachliche Beratung in Anspruch nehmen, wenn er selber immer wieder daran scheitert, konsequent zu sein und zu bleiben.
  • Es gibt kaum eine andere gesundheitliche Gefährdung, die so verniedlicht, bagatellisiert, verleugnet, vertuscht oder verdrängt wird wie der Alkoholismus. Deshalb ist der Anfang jeder Heilung, sich schonungslos der Wahrheit zu stellen, seine Schwäche zuzugeben, offen darüber zu sprechen und aus eigener Motivation heraus selbstverantwortlich die ersten Schritte in Richtung Heilung zu gehen, fachliche Beratung, medizinische Entgiftung und anschließende Psychotherapie in einer Fachklinik. Jemanden mit Vorwürfen und guten Ratschlägen versuchen zu „therapieren“, der seine Sucht nicht offen zugibt, ist nicht nur „verlorene Liebesmüh“, sondern für den Kranken sogar schädlich, weil die Heilung damit nur verschleppt wird.
  • Das Gespräch mit einem alkoholkranken Menschen sollte immer von dessen Nüchternheit abhängig gemacht werden. Ihm in seinem alkoholisierten Zustand Vorwürfe zu machen oder dann immer wieder auf seine Versprechungen hereinzufallen, ist nutzlos. Der Alkoholkranke sieht in solchen „Belästigungen“ höchstens einen weiteren Grund, sein Trinken zu rechtfertigen, nach dem Motto: „Da bleibt einem ja nichts anderes übrig als …“. Auch der sexuelle Kontakt mit dem alkoholkranken Menschen sollte immer von dessen Nüchternheit abhängig gemacht werden. Körperliche Gewalt sollte dabei nie einfach still hingenommen werden.
  • In besonders tragischen Fällen kann eine Trennung vom Partner die einzige Chance sein, dass er wieder „nüchtern“ wird und Hilfe in Anspruch nimmt.
  • Wer nur eine Entziehungskur macht, um einer angedrohten Scheidung oder einer Kündigung seitens seines Arbeitgebers zu entgehen, der hat seinen „Rückfall“ schon in der Tasche. Nur, wer um seiner selbst willen seine Sucht überwindet und anschließend ein abstinentes Leben beginnt, nur wer die Lücke, die der Alkohol im Leben gefüllt hat, erkannt hat und andere Wege einschlägt, sie zu schließen, wird auf die Dauer „trocken“ bleiben.
  • Was die Gefahr des Alkoholmissbrauchs bei Kindern und Jugendlichen mit Sicherheit verringert, ist immer noch das durchgehende Angebot der Eltern, ihnen als Erwachsener ein fester Bindungs- und Ansprechpartner und vor allem „Gefühls-Beantworter“ zu bleiben. Der Alkohol wird relativ schnell vom „Kavalier zum Killer“, zuerst „löst“ er einige Probleme, wird aber dann selbst zum Hauptproblem. Der Himmel auf Erden wird bald zur Hölle. Es ist keine Schande, alkoholkrank zu werden, aber es wäre sicherlich eine Schande, nichts dagegen zu tun.

Stanislaus Klemm, Dipl. Psychologe und Theologe, In: Pfarrbriefservice.de

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Text: Stanislaus Klemm, Dipl. Psychologe und Theologe
In: Pfarrbriefservice.de