„Wenn er damit klar kommt, komme ich auch damit klar!“

Gespräch mit Klaus (HIV–positiv) und Sabine (HIV-negativ)

Klaus wurde Ende 1997 positiv getestet. Seit 2002 sind Klaus und Sabine ein Paar. Im Gespräch geben sie einen Einblick in ihr Leben.

Frage: Wie habt ihr euch denn kennen gelernt?

Klaus: „Ich lernte Sabine durch ihren damaligen Freund kennen. Ich verstand mich recht gut mit ihm und irgendwann bin ich dann mal mit ihm nach Hause. Da habe ich sie dann das erste Mal gesehen. Eine Woche später hatte sie Geburtstag und ich war auch eingeladen.“

Sabine: „Die Beziehung zu meinem damaligen Freund war schon recht angeknackst, aber ich wollte ihm noch ne Chance geben. Als ich Klaus kennen gelernt hatte, dachte ich erst: „Was ist denn das für einer?“. Er wirkte auf mich nicht unbedingt sympathisch, auch nicht unsympathisch, er hatte aber ne total flippige Erscheinung. Am meisten beeindruckt hat mich, wie er von seiner Ex-Freundin sprach. Obwohl es zwischen den beiden große Differenzen gegeben hatte, sprach er nicht schlecht von ihr. Seither ging er mir nicht mehr aus dem Kopf.“

Klaus: „Ich hätte nie den ersten Schritt gemacht, außerdem hatte sie einen Freund.“

Sabine: „Dann erfuhr ich von meinem Freund, dass Klaus Probleme mit dem Magen habe. Ich machte mir Sorgen um ihn und schrieb ihm die erste SMS, wie es ihm ginge. So hat sich das dann entwickelt. Mein Freund ist sehr schnell dahinter gekommen und wir trennten uns.“

Frage: Hast du schon vorher von seiner Infektion gewusst?

Sabine: „Nein, ich wusste nichts davon.“

Frage: Wann und wie hat er es dir dann gesagt?

Klaus: „Als wir das erste Mal miteinander schlafen wollten, sagte ich ihr, dass ich eine Hepatitis-C habe und wir deshalb einen Gummi nehmen müssten. “

Sabine: „Er dachte wohl, Hepatitis-C schreckt mich nicht ganz so ab. Ich war schon etwas erschrocken, wusste, dass man sich anstecken konnte, aber Genaueres wusste ich damals nicht. Ich war auch schon viel zu verliebt in ihn, als das ich ihn verlassen hätte. Doch nachdem er mit das gesagt hatte, benahm er sich in manchen Situationen komisch. Klaus zog sich von einer Minute auf die andere von mir zurück, hatte extreme Stimmungsschwankungen. Ich dachte mir, dass irgendwas mit ihm nicht stimmt, aber er wollte nicht mit mir reden, obwohl ich ihn immer wieder darauf ansprach und nachbohrte. Ich wäre nie auf HIV-Infektion gekommen!“

Klaus: „Etwa eine Woche nachdem ich Sabine von meiner Hepatitis erzählt hatte, saßen wir abends auf der Couch und ich musste es ihr einfach sagen, traute mich aber nicht. Ich habe es ihr dann in einer SMS geschrieben:“

Frage: Wie hast du dich dabei gefühlt und welche Ängste hattest du?

Klaus: „Bevor ich es ihr sagte, fühlte ich mich total beschissen. Ich wusste nicht, wie Sabine darauf reagiert. Ich hatte schon mal ne Bekannte, die hat zufällig meine Tabletten gefunden und dann überall herumerzählt, dass ich positiv bin. Eigentlich wollte ich, nachdem meine langjährige Beziehung in die Brüche gegangen war, überhaupt keine Beziehung mehr. Nachdem ich es Sabine geschrieben hatte, fühlte ich mich schon etwas besser. Erst hat sie überhaupt nichts dazu gesagt. Ich dachte mir nur, wenn sie nun aufsteht und geht, versteh ich es, aber ich wollte sie nicht verlieren. Angst hatte ich davor, dass sie es, wenn sie nicht damit umgehen kann, auch überall herumerzählt. An meinem früheren Wohnort haben meine Freunde alle zu mir gehalten, als sie erfahren haben, dass ich positiv bin. Ich bin nie auf Ablehnung gestoßen. Mein dortiger Freundeskreis war wohl aufgeklärter und hatte weniger Berührungsängste. Auch meine damalige Freundin, mit der ich schon mehrere Jahre zusammen war, bevor ich von der Diagnose erfuhr, stand hinter mir. Erst seit ich hier bin, muss ich mich damit auseinandersetzen, dass mich Menschen ablehnen.“

Sabine: „Als Klaus es mir schrieb, war ich schon geschockt, und er tat mir sehr leid. Für mich war aber klar, dass ich deshalb nicht Schluss mache. Ich wusste kaum etwas über HIV und vor allem über die Lebenserwartung. Hätte er nur noch wenige Jahre gehabt, hätte mich das schon sehr belastet, denn ich wollte ja etwas Dauerhaftes mit ihm aufbauen. Er hat mir noch Mut gemacht, man könne damit alt werden. Es gebe heute sehr gute Medikamente, die das Virus an der Vermehrung hemmten. Er ist so selbstsicher damit umgegangen, dass ich mir dachte, wenn er damit klar kommt, komme ich auch damit klar! “

Frage: Welche Ängste begleiten euch in eurem Alltag?

Klaus: „Wenn es mir gut geht, denke ich überhaupt nicht daran. Ich nehme auch meine Tabletten, ohne darüber nachzudenken. Wenn es einem aber mal nicht gut geht, denkt man daran und es ist immer im Kopf. Auch durch die Nebenwirkungen der Tabletten wird man oft daran erinnert. Häufig kämpft man dann mit Durchfällen, Schwindel und Schweißausbrüchen.“

Sabine: „Das Thema HIV kommt immer wieder auf, aber es wird ‚normal’. Klaus hat öfter depressive Tage und er wird dann oft verkannt, wenn er schlecht drauf ist.“

Klaus: „Seit ich von meiner Infektion weiß, leide ich unter Depressionen, doch durch Sabine bin ich sehr viel stabiler geworden. Ich wünschte mir schon immer eine dauerhafte Beziehung, Familie, ein eigenes Haus. Eigentlich will ich ein ganz normales Leben führen. Zu anderen positiven Menschen möchte ich keinen engeren Kontakt haben, da mich das immer sehr runterzieht, wenn oft über Krankheiten geredet wird. Meine Leberwerte sind normal, meine Helferzellen auch annähernd und meine Viruslast unter der Nachweisgrenze. Als ich damals mit einer Hirnhautentzündung ins Krankenhaus kam, HIV diagnostiziert wurde, hatte ich gerade noch mal zwei Helferzellen und hätte nie gedacht, dass es mir mal wieder so gut geht.“

Frage: Wissen eure Familien und Freunde über die Infektion Bescheid?

Klaus: „Meine Familie weiß Bescheid. Anfangs hatten sie auch Berührungsängste, meine Mutter hatte Probleme, aus meiner Tasse zu trinken. Jetzt gehen sie aber alle normal mit mir um und es gibt keine Probleme. Den Kontakt zu früheren Freunden an meinem alten Wohnort habe ich abgebrochen, da viele in der Drogenszene unterwegs sind. Damit möchte ich nichts mehr zu tun haben.“

Sabine: „Meine Familie weiß nichts. Von mir aus erzähle ich auch nichts, sie müssten es schon selbst herausbekommen. Sie würden ihn, glaube ich, nicht meiden, aber viele Fragen stellen: Ob ich mir darüber klar sei, was ich mir da aufgebürdet habe. Ich gehe dem Stress aus dem Weg. Aber egal wie sie reagieren würden, es würde sich an meinen Gefühlen zu Klaus nichts ändern. In manchen Situationen wäre es aber schon einfach, wenn man offen darüber reden könnte, dann ließen sich seine Stimmungsschwankungen besser erklären und sie hätten mehr Verständnis dafür. Unsere Freunde wissen auch nichts. Wir haben ja auch schon viel schlechte Erfahrungen gemacht, wenn es mal herauskam. Wir haben die Infektion geleugnet, da nur das Gerücht schon reichte, uns zu meiden. Man muss die Leute leider anlügen.“

Klaus: „ Ich will nicht als Kranker hingestellt werden und ich möchte auch kein Mitleid, sondern ich möchte als Mensch anerkannt werden. Ein HIV-Positiver wird leider nicht so normal behandelt wie ein Krebskranker. Ausgesuchten Freunden würde ich schon gerne von meiner Infektion erzählen. Es würde mir manchmal sehr helfen, wenn ich mich mit einem Problem auch an jemand anderes wenden könnte.“

Frage: Welchen Schlussappell würdet ihr den Lesern gerne mitgeben?

Sabine: „Letztendlich könnte es jeden treffen. Es ist schlimm genug für den, der HIV-positiv ist. Ich würde mir wünschen, dass die Leute offener mit den Menschen und der Erkrankung umgehen und keine Berührungsängste haben!“

Klaus: „Jetzt, wo mein Leben wieder in geregelten Bahnen läuft, wäre es mein größter Wunsch, dass die Krankheit ausheilt wie eine Grippe. Da dies aber nicht so ist, werde ich das Beste aus meinem hoffentlich noch langen Leben machen. Mann kann zwar, dank der heutigen Medikamente, relativ gut mit der Krankheit leben, trotzdem würde ich meinem schlimmsten Feind so was nicht wünschen. Drum Leute, schützt euch!“

Das Gespräch führte Kerstin Jaudzims, Mitarbeiterin der Aids-Beratungsstelle Unterfranken

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Das Schwerpunktthema für Dezember 2010

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Text: Kerstin Jaudzims
In: Pfarrbriefservice.de