Sucht-Selbsthilfe in Deutschland – ein Überblick

Fünf Sucht-Selbsthilfeverbände gibt es in Deutschland: den Kreuzbund, das Blaue Kreuz in Deutschland, das Blaue Kreuz in der Evangelischen Kirche, die Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe und den Deutschen Guttempler-Orden. Der Kreuzbund ist der mitgliederstärkste Verband. Zurzeit hat er bundesweit rund 14.300 Mitglieder in 1.600 Gruppen.

Gemeinsamer Grundgedanke

Grundgedanke aller fünf Sucht-Selbsthilfeorganisationen ist es, dass persönliche Beziehungen und Freundschaften zur Stabilisierung der eigenen Persönlichkeit beitragen und damit die Basis einer dauerhaften Abstinenz schaffen. Da Sucht als eine Familienerkrankung aufzufassen ist, werden auch die Angehörigen und Familien der Suchtkranken in die Selbsthilfe einbezogen. Die Verbände verstehen sich als Interessenvertretung suchtbetroffener Menschen und streben eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit für einen problembewussten Umgang mit Suchtmitteln an. Dabei ist die Zusammenarbeit mit Fachkliniken und Beratungsstellen selbstverständlich. Die ehrenamtlichen Helfer werden durch Aus- und Fortbildungsmaßnahmen ständig weiter qualifiziert.

Keine Konkurrenz

Nach Aussage der Geschäftsführer der fünf Verbände empfindet man sich nicht als Konkurrenten, sondern setzt sich gemeinsam für die Belange der Sucht-Selbsthilfe ein. Nur so ist eine effektive Interessenvertretung möglich. Die drei evangelischen Abstinenz- und Selbsthilfeverbände - die Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe, das Blaue Kreuz in der Evangelischen Kirche und das Blaue Kreuz in Deutschland - gehören dem Gesamtverband für Suchtkrankenhilfe im Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland an. Der Kreuzbund ist der einzige Sucht-Selbsthilfeverband der katholischen Kirche. In katholisch geprägten Regionen hat er dadurch Vorteile. Die unterschiedliche konfessionelle Anbindung trägt außerdem dazu bei, dass die Verbände regional sehr unterschiedlich stark vertreten sind, so dass hier keine direkte Konkurrenzsituation vorliegt. Ein potenzieller Gruppenbesucher wird sich häufig für die Selbsthilfegruppe entscheiden, die für ihn am besten erreichbar ist, die dahinter stehende Organisation ist dabei für viele suchtbetroffene Menschen nicht ausschlaggebend.

Unterschiedliche Voraussetzungen für die Mitgliedschaft

Ein weiterer wichtiger Unterschied zwischen den fünf Verbänden liegt in der Voraussetzung für die Mitgliedschaft. Um dem Kreuzbund beizutreten, müssen Suchtkranke sich zur Abstinenz verpflichten. Dabei wird Abstinenz definiert als Enthaltsamkeit von Alkohol, anderen Drogen oder suchtfördernden Medikamenten und ähnlich wirkenden Suchtmitteln. Medizinisch notwendiger Gebrauch von Medikamenten ist davon ausgenommen.

Die Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe kennen dagegen keine schriftliche Verpflichtung zur Abstinenz. Der Schritt in ein abstinentes Leben soll als freie Entscheidung des Betroffenen und seiner Angehörigen geschehen. Die Freundeskreise entstanden 1956 in Württemberg als Initiative von ehemaligen Patienten aus Fachkrankenhäusern der Diakonie. Die Freundeskreise haben zurzeit rund 8.500 Mitglieder.

Das Blaue Kreuz in der Evangelischen Kirche (BKE) ist mit 2.700 Mitgliedern deutlich kleiner. Seit 1992 gilt eine Satzung, nach der jedes Mitglied sich verpflichtet, von seinem Suchtmittel abstinent zu leben, d.h. die abstinente Lebensweise bezieht sich nicht grundsätzlich auf alle Drogen. Mit dieser Entscheidung konnte die Zahl junger Mitglieder deutlich erhöht werden. Außerdem wendet sich das BKE auch nicht-stoffgebundenen Süchten zu, wie z.B. Spiel- und Esssucht. Die Gruppen entscheiden individuell, ob und für welchen Personenkreis sie sich öffnen wollen. Das BKE wurde 1902 in Soest / Westfalen gegründet. Es handelt sich um eine Abspaltung des Blauen Kreuzes in Deutschland. Hintergrund der Spaltung waren kirchenpolitische und theologische Kontroversen.

Die Wurzeln des Blauen Kreuzes in Deutschland (BKD) liegen in Genf, die Organisation entstand dort 1877. Der erste deutsche Blaukreuz-Verein wurde 1885 in Hagen / Westfalen gegründet. Das BKD verfolgt einen sehr umfassenden Hilfeansatz: Der Verband unterhält als einziger der fünf Sucht-Selbsthilfeverbände eigene Beratungsstellen, Fachkrankenhäuser und Rehabilitationszentren, die eine wirkungsvolle Therapiekette bilden: Erstkontakt – ambulante Beratung – stationäre Behandlung – Nachsorge. Insgesamt sind dort 250 hauptamtliche Mitarbeiter beschäftigt. Ziel des BKD ist es, neben den therapeutischen Möglichkeiten Zugänge zu Lebenssinn und -inhalten zu vermitteln, und zwar auf der Grundlage des christlichen Glaubens. Das BKD hat aktuell rund 10.000 Mitglieder.

Der Deutsche Guttempler-Orden ist der einzige der fünf Sucht-Selbsthilfeverbände, der nicht an eine Konfession gebunden ist. Er ist selbständiger Teil einer internationalen Organisation, der International Organisation of Good Templer, die 1851 gegründet wurde. Die Guttempler traten bereits im vergangenen Jahrhundert für die Gleichberechtigung der Rassen und Geschlechter ein. Sie streben nach Frieden durch die Förderung von Demokratie, Toleranz, Gleichheit und Gerechtigkeit. Alkohol und andere Drogen betrachten sie als ernste Bedrohung für die Würde und Freiheit vieler Menschen. Auf dieser Grundlage entwickeln die Guttempler Programme zur Suchtvorbeugung, zur Senkung des Gebrauchs von Suchtmitteln sowie zur Hilfe für Abhängige und Angehörige. Voraussetzung für die Mitgliedschaft ist eine Lebensweise frei von Alkohol und anderen Drogen. 7.500 Guttempler-Mitglieder haben diese Bedingungen akzeptiert.

Die Anonymen Alkoholiker

Die wohl bekannteste Selbsthilfeorganisation im Bereich der Alkoholabhängigkeit sind die Anonymen Alkoholiker (AA). Sie hatten im Jahr 2001 nach eigenen Angaben ca. 2.700 Meetings in Deutschland mit durchschnittlich 10 bis 15 Besuchern. Sie bezeichnen sich jedoch nicht als Verband, sondern als Selbsthilfegemeinschaft. In die Gruppen der AA kommen ausschließlich Alkoholabhängige, für suchtbetroffene Angehörige oder Partner gibt es eine den AA angeschlossene Organisation mit dem Namen Al-Anon. Die Gruppenbesucher werden zahlenmäßig nicht erfasst, es gibt keine Mitgliedschaft. Die Besucher der Meetings stellen sich lediglich mit Vornamen vor, es gibt keine Mitglieder- oder Telefonlisten. Die Gemeinschaft der AA ist mit keiner Konfession, Sekte, Partei, Organisation oder Institution verbunden. Sie beteiligt sich nicht an öffentlichen Debatten und nimmt nicht zu Streitfragen Stellung. Die AA beziehen keine Zuschüsse oder Fördermittel von politischen, sozialen oder kirchlichen Organisationen, sie finanzieren sich vorwiegend durch Spenden.

(Alle Informationen zu den Sucht-Selbsthilfeverbänden stammen von den Organisationen selbst bzw. aus ihren Informationsmaterialien.)

Gunhild Ahmann, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit beim Kreuzbund e.V.

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Text: Gunhild Ahmann
In: Pfarrbriefservice.de