Leben mit Aids und die Würde

Alfred Spall, ehemals Leiter der Aids-Beratungsstelle Unterfranken, plädiert für einen angstfreien und würdevollen Umgang mit HIV-Infizierten

Für Aids-Berater ist Würde ein Schlüsselwort; diese feiern oder auch erleiden fortwährend eine „Woche für das Leben“. Unser Handeln war stets auch eine Kampagne für die Würde geborenen Lebens. Es ist - nach landläufiger Meinung – recht bunt, nicht so ganz normiert und häufig gebrochen. Aids-Berater, zumal in kirchlicher Trägerschaft, verfügen über erhöhte Sensibilität für Würde, Anstand und Wahrhaftigkeit im Gegensatz zu Ignoranz, Diskriminierung, Stigmatisierung, Marginalisierung und Ausgrenzung.

Wir müssen uns auf ein Leben mit Aids einrichten, es werden immer mehr HIV-Positive unter uns sein: Infizierte leben länger, Zuwachs durch Migration, nachlassendes Schutzbewusstsein. Irgendwie kann jeder von HIV getroffen werden. Aids ist genau so lange eine Krankheit der anderen, von der man sich selbst Lichtjahre entfernt wähnt, bis es im eigenen Bereich einschlägt. So sollte keiner verächtlich auf Positive herabschauen, ungehemmten Infektionsängsten freien Lauf lassen und Vorurteile sorgsam pflegen, sondern lieber Vernunft und Großmut walten lassen, Scheuklappen ablegen, seine harte Haltung hinterfragen, unsinnige Reflexe wie überzogene Hygiene löschen, dafür mit sexuellen Risiken achtsam umgehen, und in Solidarität auf die verheerende Situation in der Dritten Welt schauen. Infizierte sind im Schnitt die Gleichen wie die anderen, also keine Spezies von einem anderen Stern. Es kann einer gegen jede HIV-Gefahr resistent sein, aber Angehörige und Freunde haben, die andere Akzente setzen. Und es ist erstaunlich, wie gerade auch in Fachkreisen verzerrte Vorstellungen über HIV fröhliche Urständ feiern.

Aids ist angstbesetzt, Betroffene verbergen ihre Identität, Aids ist weithin noch nicht verstanden. Aber es gibt auch Gutes: Infizierte Kinder besuchen Kindergarten und Schule, in Pädagogik, Medizin und anderen Berufen sind HIV-Positive tätig. Aber ein starkes Kreuz braucht einer schon, um die Therapie und das soziale Stigma zu bewältigen.

Vornehmheit und Vision des Evangeliums laden mit „Wichtigkeit hoch“ dazu ein, gerade auch den (angeblich) Andersartigen samt individuellem Lebensentwurf in Liebe anzunehmen und ihm „die Füße zu waschen“, die Füße also, nicht den Kopf. Das Festhalten an der faszinierenden Leitidee der Offenheit der Tischgemeinschaft des Jesus ist meine Form von Glaubenstreue, Bibeltreue.

Alfred Spall, Dipl.-Psych.

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Das Schwerpunktthema für Dezember 2010

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Text: Alfred Spall
In: Pfarrbriefservice.de