„Gönne dich dir selbst“

Und gönne anderen Menschen ihr Glück – zu deiner eigenen Freude

Wenn wir einen Menschen sehen, der sich so richtig kindlich freut, weil er etwas Schönes oder Kostbares gefunden oder bekommen hat, so können wir spontan zwei ganz unterschiedliche Reaktionen bei uns feststellen, wenn wir ehrlich sind uns selbst gegenüber. Zum einen freuen wir uns mit ihm, gratulieren ihm herzlich für diesen tollen Fund oder diesen wertvollen Besitz, das heißt: Wir „gönnen es ihm“, oder aber wir spüren sofort eine innere Ernüchterung, sind vielleicht traurig oder wütend darüber, dass nicht wir es sind, die diesen Schatz gefunden haben und wir „neiden es ihm“. Das erste Gefühl, das Gönnen, ist eine unserer schönsten Tugenden, das zweite, der Neid, ist eine unserer schlimmsten Untugenden und wird sogar zu den sieben Todsünden gerechnet. Das Schimpfwort „Du Neidhammel“ kann uns tief treffen.

Dieser Neid ist, so wie unsere Eifersucht, ein klares Anzeichen, ein Symptom dafür, dass wir unter einem sehr schwachen Selbstwertgefühl leiden. Beim Vergleich mit anderen blenden wir dann unseren eigenen Wert aus. Es ist so, als ob eine giftige Stimme uns ständig zuflüstern würde, dass wir „zu kurz gekommen“ seien oder „benachteiligt“ wären. Neidische Menschen gestehen eigentlich ihre eigene gefühlte Minderwertigkeit ein. Es wird ihnen nicht von außen her ein Leid zugefügt, der Neid ist reines „Eigenleid“. Wir selbst zerstören dann etwas in uns, das wir „Zufriedenheit“ nennen, nämlich das Gefühl, das zu schätzen, was wir haben. Stattdessen bejammern wir nur das, was wir nicht oder noch nicht haben. Zudem werden es die Betreffenden nie zugeben können, dass sie neidisch sind. Neid macht einsam, blind und unglücklich.

Der Heilige Bernhard von Clairvaux (1090-1153) schrieb einmal an Papst Eugen III.: „Ich fürchte, dass du eingekeilt in deine zahlreichen Beschäftigungen keinen Ausweg mehr siehst und deshalb deine Stirn verhärtest ... Es ist viel klüger, du entziehst dich von Zeit zu Zeit deinen Beschäftigungen, als dass sie dich ziehen und dich nach und nach an einen Punkt führen, an dem du nicht landen willst. Wie lange noch schenkst du allen anderen deine Aufmerksamkeit, nur nicht dir selber! Ja, wer mit sich selbst schlecht umgeht, wem kann der gut sein? Denk also daran: Gönne dich dir selbst ...“

Es ist etwas Wunderschönes, wenn wir liebevoll einem anderen Menschen von Herzen wünschen, dass es ihm gut geht, dass es ihm an nichts fehle, dass er sich freuen und glücklich sein darf. Aber auch dieses „Gönnen“ kann zu einer regelrechten Untugend werden, wenn wir dabei etwas zu schnell verlieren, was wir die „gleiche Augenhöhe“ nennen, wenn wir uns dabei „gönnerhaft“ vorkommen und den anderen von Oben nach Unten betrachten. Dieses Gefühl trennt und verbindet nicht. Wenn wir anderen Menschen wirklich etwas Gutes gönnen, dann sind wir, weiß Gott, nicht „gönnerhaft“, im Gegenteil, wir tun ja uns selber etwas Gutes an. Der Aphoristiker Ernst Ferstl bringt es auf den Punkt, wenn er in diesem Zusammenhang sagt: „Das Vergnügen, andere mit Lob zu überschütten, sollten wir uns viel öfter gönnen.“

Stanislaus Klemm, Dipl. Psychologe und Theologe, In: Pfarrbriefservice.de

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Text: Stanislaus Klemm, Dipl. Psychologe und Theologe
In: Pfarrbriefservice.de