Frieden fordern – Frieden fördern

Über die Rolle von Religionen

In der öffentlichen Wahrnehmung wird Religion häufig und zu einseitig als Ursache für Gewalt und Krieg gesehen. Ihre ungeheure friedensfördernde Kraft hingegen wird unterschätzt. Was gilt, ist: Im Kontext von Gewaltkonflikten kann Religion ambivalent wirken. Religion ist selten die eigentliche Konfliktursache, kann aber in Konflikten
instrumentalisiert werden.

Friedenspotenzial von Religion

  • Über 80 Prozent der Weltbevölkerung sind religiös. In einer sich rasch wandelnden Welt bietet Religion Orientierung und einen wichtigen Bezugsrahmen. Religion kann aufgrund ihrer spirituellen Kraft Menschen auf dem Weg zu Akzeptanz, Heilung, Versöhnung, Vergebung und einem Neuanfang unterstützen.
     
  • Es gibt religiöse Akteure und Institutionen, die engere und vertrauensvollere Beziehungen zur Bevölkerung haben als so manche politischen Akteure. Sie sind lokal verankert und gut vernetzt. Dies bietet eine Reihe von Zugängen und damit Chancen in der Friedensförderung. Viele verfügen über institutionelle und menschliche, manchmal auch finanzielle Ressourcen, die zur Friedensförderung eingesetzt werden können.
     
  • Viele religiöse Führer genießen eine hohe Glaubwürdigkeit und moralische Autorität. Sie verfügen daher auch über einen nicht unbeachtlichen politischen Einfluss. Einige können gut in politischen Konflikten vermitteln oder für gewaltfreie Lösungen werben, die von einer breiten Masse der Bevölkerung akzeptiert werden können.
     
  • Religiöse Akteure und Institutionen sind oft auch da präsent, wo der Staat fragil und abwesend ist und seine Bürgerinnen und Bürger nicht ausreichend schützen und/oder versorgen kann. Sie übernehmen dort Rollen des Staates und können dies im Idealfall glaubhaft ohne politische Machtinteressen tun.
     
  • Moralische Autorität und internationale Vernetzung können einen gewissen Schutz bieten. Religiöse Akteure, die sich auf die Seite benachteiligter Bevölkerungsgruppen stellen, können auch dann noch Einfluss nehmen, Ungerechtigkeiten anprangern und sich ihre Kritikfähigkeit bewahren, wenn dies für andere Akteure schwierig oder gefährlich ist. Ihnen stehen im Gegensatz zu oppositionellen oder zivilgesellschaftlichen Akteuren so andere Möglichkeiten offen (z. B. in autoritären Regimen).

Gewaltpotenzial von Religion

  • Die allerwenigsten Gewaltkonflikte drehen sich im Kern um religiöse Überzeugungen. Religion kann aber Konflikte befördern, wenn Konflikte religiös aufgeladen werden. Diese Instrumentalisierung von Religion kann von politischen Akteuren aus Machtmotiven bewusst herbeigeführt werden, teils in Allianz mit religiösen Akteuren, die einen politischen Machtanspruch stellen. Die Nähe religiöser Akteure zu ungerechten politischen Akteuren, aber auch die Vermischung von Staat, Nation und Religion, können gewaltfördernd wirken.
     
  • Studien zeigen, dass religiös konnotierte Gewaltkonflikte schwerer einer Verhandlungslösung zuzuführen sind. Dafür machen Kritiker einen absoluten Wahrheitsanspruch von Religion verantwortlich, der zur Schaffung exklusiver Identitäten und nicht zur Inklusion beiträgt. Dies führt zu irrationaler Gewaltanwendung, blindem Gehorsam und einer höheren Opfer- und Leidensbereitschaft.
     
  • Seit den 1990ern, vor allem seit dem 11. September 2001, ist weltweit ein statistischer Anstieg religiös begleiteter Gewaltkonflikte und von religiös motiviertem Terrorismus zu verzeichnen. Dies wiederum deutet auf das Ausbreiten extremistischer Netzwerke und zunehmende religiöse Radikalisierung hin. Studien zeigen aber auch: Die religiöse Bildung unter Extremisten ist meist sehr gering, Radikalisierung folgt vor allem säkularen Mustern.

Thomas Kuller, aus „Gib Fr!eden, Grundlagen Praxistipps, Fastenaktion 2020“, S. 10-11, MISEREOR, In: Pfarrbriefservice.de

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Text: Thomas Kuller, aus „Gib Fr!eden, Grundlagen Praxistipps, Fastenaktion 2020“
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