Der innere Friede als Schlüssel

Ein Gespräch mit Pater Gerhard Eberts über Gelassenheit und was sie fördert

Pater Eberts, was bedeutet für Sie Gelassenheit?

Pater Eberts: Für mich bedeutet es, die innere Ruhe zu finden oder zu bewahren und dadurch mit dem, was von außen auf mich und andere hereinstürmt, besonnen umzugehen. Gelassenheit hat nichts mit einer stoischen Ruhe zu tun, die sich von aller Leidenschaft und Freundschaft fernhält. Als religiöser Mensch beziehe ich die Gelassenheit aus dem Gebet und der Heiligen Schrift, in der es heißt: „Gott lässt seine Sonne aufgehen über Gerechte und Ungerechte, er lässt es regnen über Gute und Böse.“ Jesus sagt: „Sorgt euch nicht ängstlich!“ Gelassenheit hat für mich viel mit Gottvertrauen zu tun.

Kann man Gelassenheit lernen?

Pater Eberts: Unbedingt! Ich begegne Menschen, denen scheint die Gelassenheit in die Wiege gelegt worden zu sein. Aber manche verwechseln Gelassenheit mit Gleichgültigkeit oder einer gewissen Schläfrigkeit. Das ist auch eine Sache des Temperaments. Vieles, was geschieht - in den Familien, in der Gesellschaft, in der Politik, aber auch in der Kirche - kann  man nicht einfach hinnehmen. Ich bin von Natur aus kein gelassener Mensch. Aber ich bemühe mich um Augenmaß, um Toleranz und nicht zuletzt um Humor. Ein Satz meines Lieblingsheiligen Franz von Sales hilft mir dabei: „Mit einem Tropfen Honig fängt man mehr Fliegen als mit einem Fass voll Essig.“

Was raten Sie Menschen, denen die Gelassenheit verloren gegangen ist?

Pater Eberts: Ich denke an Eltern, die es schwer haben, an Alleinerziehende und ihre Nöte, an manche Studenten, die sich durchs Studium quälen oder finanzielle Sorgen haben. Die sagen mir: Du hast gut reden, du lebst in einer gesicherten Existenz. Das nehme ich ernst. Ich kann ihnen nur immer wieder sagen: Eure Wege gehen sicherer, wenn ihr von Tag zu Tag lebt, nicht von der Hand in den Mund, sondern von Tag zu Tag und da immer wieder Vertrauen habt. Entscheidend ist nicht das Äußere, es stürzt so vieles auf uns ein. Entscheidend ist der innere Friede, der Seelenfriede.

Innerer Seelenfriede als Schlüssel zur Gelassenheit?

Pater Eberts: Seelenfriede! Ja, das ist ein altmodisches Wort. Es bedeutet, dass die größte Unruhe nicht von außen kommt, sondern aus unserem Inneren, durch lebensfeindliche Gedanken. Auf gute Gedanken zu kommen und damit den Seeelenfrieden zu finden, dazu helfen mir Vorbilder, wie die großen Mystiker Theresa von Avila oder Meister Eckhart, aber auch Papst Johannes XXIII., der zu sich selbst gesagt hat: „Johannes, nimm dich nicht so wichtig!“ Da ich ein Kriegskind bin, beeindrucken mich die Widerstandkämpfer gegen das Naziregime besonders: die Geschwister Scholl, die aus einer aktiven Gelassenheit in den Tod gegangen sind, oder Dietrich Bonhoeffer, dessen Schriften durchdrungen sind von einer Gelassenheit aus dem Glauben, nicht zuletzt aus einem Glauben an ein besseres Deutschland. Es ist sicher hilfreich, sich in den Turbulenzen und den Aufgeregtheiten, aber auch der bewussten Irreführung in den kommenden Wahlkämpfen auf diese Zeugen zu besinnen.

Haben Sie besondere Orte oder Gepflogenheiten, die Ihnen helfen, gelassener zu sein?

Pater Eberts: Mir persönlich helfen Wanderungen im Wald, gelassen zu werden, und auch die Musik, der Gesang und das Lesen. Sehr wichtig ist mir auch der Kaffee, allein oder in Gemeinschaft. Das sind so Kleinigkeiten, die man sich schenkt. Wer gelassen sein will, muss sich und anderen etwas gönnen können. Dazu gehört auch das gemeinsame Essen: Da gibt es so eine schöne Geschichte von einem Bäcker aus Paris. Als ein junger Mann, der von seinem Vater mit dem Messer bedroht wird, im Bäckerladen Schutz sucht, gibt der Bäcker beiden ein Stück Brot: „Brot beruhigt!“, sagte er. Jesus gab seinen Jüngern nach seiner Auferstehung Brot. Er hielt mit seinen Jüngern erst einmal Mahl. Da haben sie ihre Angst und Anspannung verloren. Die Mahlgemeinschaft in der Kirche schenkt mir Gelassenheit.

Fällt es gläubigen Menschen leichter, gelassener zu sein?

Pater Eberts: Ich weiß es nicht! Ich kenne zwar wenige, aber ich höre von gläubigen Menschen, die fanatisch und engstirnig sind. Ich kenne gelassene Menschen, die keine Christen sind. Buddhisten beispielsweise  sind auch für mich ein Vorbild. Viele Nichtglaubende sind gelassene Menschen. Gelassenheit ist eine menschliche Eigenschaft. Wenn wir jedoch als Christen konsequent unseren Glauben leben, wenn wir als gläubige Menschen dem Gebot der Nächstenliebe folgen, tun wir uns leichter, gelassen zu sein. Denn gelassen wird man nicht durch das Reden, sondern durch das Tun.

Pater Gerhard Eberts (geb. 1938) gehört dem Orden der Missionare von der Heiligen Familie an und ist als Journalist und Seelsorger in Augsburg tätig.

Interview: Elfriede Klauer, In: Pfarrbriefservice.de

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Text: Elfriede Klauer
In: Pfarrbriefservice.de