Das Internet als digitaler Brandbeschleuniger für Extremisten

Julia Ebner schrieb ein Buch über ihre Undercover-Recherchen und die beunruhigenden Erkenntnisse, die sie daraus zieht

In ihrem Buch mit dem Titel „Radikalisierungsmaschinen“ untersucht Julia Ebner die These, Extremisten nutzten die heutigen technischen Möglichkeiten systematisch, um Menschen zu manipulieren und in einer nie dagewesenen Geschwindigkeit für ihre vorgestrigen Ideologien zu gewinnen. Dazu begibt sich die Extremismusexpertin auf digitale Spurensuche. Undercover schleust sie sich bei Radikalen ein, die ihre Aktivitäten auf modernste Internet-Anwendungen stützen. Ihre Recherchen führen sie, über Landesgrenzen hinweg, zu etwa ein Dutzend Gruppierungen: von der Identitären Bewegung und Reconquista Germanica zu den antifeministischen Trad Wifes, die neurechte Hackergruppe Black Hats bis hin zum Organisationsteam der Charlottesville-Proteste in den USA.

In einer klaren, verständlichen Sprache berichtet Ebner von ihren Beobachtungen und Erlebnissen, die sie in geschlossenen Internetforen und auch bei realen Treffen mit Schlüsselfiguren macht. Selbst für einen Besuch eines Neonazi-Musikfestivals an der deutsch-polnischen Grenze ist sich die Autorin nicht zu schade. Beim Lesen hält man desöfteren den Atem an – zum einen angesichts der menschlichen Abgründe, denen Ebner auf ihrer virtuellen Reise begegnet. Zum anderen setzt sich die junge Autorin auch realen, nicht immer ungefährlichen Situationen aus.

Dem vorliegenden Buch gelingt eine brilliante Analyse der aktuellen Entwicklungen. Es wird klar, dass Verhaltensmuster und Strategien von Radikalen zwar nicht neu sind, aber durch neue Technologien auf bisher ungeahnte Möglichkeiten stoßen. Ihre Thesen präsentiert die Autorin jeweils wohldosiert zu den Erlebnisberichten ihrer verdeckten Recherchen. So wird das wissenschaftlich fundierte Sachbuch auch für Normal-Leser zu einer anschaulichen und spannenden Lektüre.

Die zutiefst beunruhigenden Schlussfolgerungen der Autorin sind ein notwendiger Weckruf für Politik und Gesellschaft zur rechten Zeit. Jedoch wo sich Abgründe auftun, da gedeiht immer auch Hoffnung: Ebner stellt im letzten Kapitel einige vielversprechende Projekte und Lösungsansätze vor. Damit gibt sie Hinweise, wie wir angemessen auf die gefährlichen Entwicklungen reagieren können.

Bibliografische Angaben:
Ebner, Julia, Radikalisierungsmaschinen, aus dem Englischen von Kirsten Riesselmann, Suhrkamp Berlin, 2019 / ISBN: 978-3-518-47007-7

Zur Person:
Julia Ebner, geboren 1991 in Wien, forscht am Institute for Strategic Dialogue in London zu Online-Extremismus. Sie arbeitet mit Regierungsorganisationen und Polizeiorganen zusammen, sie ist Online-Extremismus-Beraterin der UN, NATO und der Weltbank. Sie schreibt regelmäßig für den Guardian und die Süddeutsche Zeitung.

Christian Schmitt,
In: Pfarrbriefservice.de

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Text: Christian Schmitt
In: Pfarrbriefservice.de