Zwischen Bereitschaft und tatsächlicher Organspende klafft eine Lücke

Ein Blick auf die Gründe und Gegenmaßnahmen

Die Situation in Deutschland ist paradox: Die Zahl der Menschen mit Organspendeausweis ist von 25 Prozent im Jahr 2010 auf 36 Prozent im Jahr 2018 gestiegen, ebenso hat die in Umfragen bekundete Spendenbereitschaft in diesem Zeitraum um fünf Prozentpunkte zugenommen. Doch gleichzeitig werden immer weniger Organe tatsächlich gespendet. Wie kann das sein? Dafür werden drei Gründe genannt:

1. Die deutsche Entscheidungslösung führe dazu, dass viele Menschen der Organspende zwar grundsätzlich positiv gegenüberstehen und das in Umfragen bekunden, sich aber keine konkreten Gedanken machen, was nach ihrem Tod mit ihren Organen passiert und zum Beispiel trotz Spendenbereitschaft keinen Organspendeausweis besitzen.

2. 2012 wurde der größte Organspende-Skandal in der Geschichte der Bundesrepublik aufgedeckt: In Göttingen, Regensburg, München und Leipzig haben Mediziner/-innen Krankenakten gefälscht, um ausgewählte Patientinnen und Patienten bevorzugt mit Spenderorganen zu versorgen. Der Skandal sorgte für viel öffentliche Empörung, in den Folgejahren sanken die Spenderzahlen. Um Vorfälle wie diese in Zukunft zu verhindern, wurde im Jahr 2012 eine Überwachungskommission und eine Prüfungskommission von Vertreterinnen und Vertretern der Bundesärztekammer, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem Spitzenverband der Krankenkasse gegründet. Die Kommissionen überprüfen seither, ob sich die deutschen Transplantationszentren an die Richtlinien bei der Vermittlung von Spenderorganen und der Organisation der Wartelisten halten.

3. Organspenden waren für die Entnahmekliniken bislang ein Minusgeschäft. Denn der Pauschalbetrag, den die Krankenkassen an die Krankenhäuser zahlen, deckt laut diesen nur die Operation ab, nicht aber die vorherige Versorgung der Patient/-innen auf der Intensivstation. Zudem haben die Transplantationsbeauftragen der Krankenhäuser im Alltagsgeschäft kaum Zeit für ihre Aufgabe. Deswegen würden viele Kliniken nicht alle potentiellen Organspender melden.

Reform des Transplantationsgesetzes

In einem ersten Schritt verabschiedete der Bundestag im Februar 2019 ein Gesetz zur Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen bei der Organspende (GZSO), das die Situation in den Entnahmekrankenhäusern verbessern soll. Diesen werden unter anderem mehr Mittel für den gesamten Prozess der Organspende bereitgestellt. Die Transplantationsbeauftragten werden freigestellt und erhalten mehr Befugnisse, auch dafür werden die Krankenhäuser finanziell entlastet. Mithilfe eines neuen Rufbereitschaftsdienstes sollen kleinere Entnahmekrankenhäuser schneller auf qualifizierte Ärztinnen und Ärzte zurückgreifen können. Zudem soll ein neues flächendeckendes Berichtssystem bei der Spendererkennung und -meldung helfen.

Gesetzentwurf für eine doppelte Widerspruchslösung

Anfang April 2019 legten Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, Dr. Georg Nüßlein (CSU) und Dr. Petra Sitte (LINKE) einen Gesetzentwurf für eine doppelte Widerspruchslösung bei der Organspende vor. Die Widerspruchslösung ist die am meisten verbreitete Organspenderegelung in Europa und gilt zum Beispiel in Frankreich, Spanien, Österreich und Polen und 13 weiteren europäischen Ländern. Die Grundidee der Widerspruchslösung und des Entwurfs: Wer zu Lebzeiten nicht widerspricht oder einen anderen der Organ- oder Gewebespende entgegenstehenden Willen äußert, ist automatisch Spender/-in. Anders als bei der bisherigen Entscheidungslösung sollen alle Personen ab 16 Jahren – nachdem sie ausführlich informiert wurden – als Spender/-innen registriert werden. Bei Widerspruch oder anders lautenden Willen soll dieser in einem bundesweiten Register dokumentiert werden, in dem auch die Organspender/-innen registriert sind. Betroffene können jederzeit ohne Angaben von Gründen die Änderung oder Löschung ihres Eintrags beantragen. Ziel des Gesetzentwurfs und der Widerspruchslösung ist es auch, die nächsten Angehörigen von möglichen Organ- oder Gewebespendern zu entlasten. Diese sollen künftig nur noch vor der Organentnahme befragt werden, ob ein schriftlicher Widerspruch vorliegt.

alternativer Gesetzentwurf: Stärkung der Entscheidungsbereitschaft

Auch die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock formulierte in Zusammenarbeit mit weiteren Bundestagesabgeordneten aller Fraktionen (außer AfD) Anfang Mai 2019 einen Gesetzesentwurf zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende vor. Ziel des Entwurfes ist, dass sich mehr Menschen mit der Frage der Organ- und Gewebespende auseinandersetzen. Dazu wird die Einrichtung eines zentralen Online-Registers vorgeschlagen, bei dem Bürgerinnen und Bürger ihre Entscheidung über eine Organspende einreichen und möglichst einfach dokumentieren können. Zudem sollen die Ausweisstellen des Bundes und der Länder unabhängige Informationen über die Organspende zur Verfügung stellen. Die Bürgerinnen und Bürger sollen beim Abholen jedes neuen Personalausweises oder Reisepasses befragt werden, wie sie zur Organspende stehen. Auch Hausärztinnen und Hausärzte sollen stärker in die Aufklärung über Organspende einbezogen werden und ihre Patientinnen und Patienten zur Registrierung im Online-Register beraten. Laut Gesetzentwurf sollen die Ärztinnen und Ärzten ihre Patientinnen und Patienten zwar ermutigen, die Beratung hat allerdings ergebnisoffen zu erfolgen.

Josefine Schummeck 
Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung, www.bpb.de, (20.05.2019, gekürzte und leicht geänderte Version), lizenziert unter CC by-sa/3.0, In: Pfarrbriefservice.de

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Text: Josefine Schummeck, www.bpb.de
In: Pfarrbriefservice.de