Zuhören funktioniert nur ohne Stress – und lohnt sich

Die Aufforderung „Nun hör mir doch mal endlich zu!“ kennen wir, dieses energische Pochen darauf, die Position des anderen zu übernehmen. Je nach Beziehung zu der auffordernden Person hören wir dann mehr oder weniger bereitwillig zu, meistens weniger bereitwillig, weil wir uns gedrängt fühlen.

Ganz anders würde ich reagieren, wenn jemand zu mir sagte: „Ich weiß, in dieser Sache sind wir ganz unterschiedlicher Meinung. Ich kenne überwiegend Menschen, die so denken wie ich, vermutlich geht es dir ähnlich. Das heißt, ich kenne deine Position nicht wirklich, wäre da aber gerne besser informiert. Ich wäre dir dankbar, wenn du sie mir mal ausführlich schildern würdest. Vielleicht schon jetzt, aber wenn du grade keine Zeit hast, können wir dafür einen anderen Zeitpunkt ausmachen.“

Was haben wir eigentlich davon, wenn wir mit Andersdenkenden ins Gespräch kommen? Vorausgesetzt, wir haben ein offenes Ohr für andere, dann lernen wir auf jeden Fall ein paar neue Blickwinkel auf ein Thema kennen. Viel wichtiger erscheint mir, dass ich beim sorgfältigen Zuhören entdecken kann, was mein Gegenüber bewegt, dass ich einen Blick in die Welt seiner Bedürfnisse werfen kann und dann feststellen werde: Hm …, aus seiner Sicht ergibt das irgendwie Sinn, selbst wenn es nicht meine Meinung ist. Und mehr als das: Ich werde bemerken, dass wir sehr ähnlich fühlen, auch wenn wir dann zu anderen Schlussfolgerungen gelangen. Und das Allerbeste: Wenn ich ihm wirklich interessiert zugehört habe, steigt die Chance, dass er auch mir zuhören wird, um tausend Prozent. Mindestens.

Aber wie steht es nun mit der Eingangsannahme: „Vorausgesetzt, wir haben ein offenes Ohr für andere Menschen“? Meiner Erfahrung nach haben die meisten Menschen, schon aus Neugierde, so ein offenes Ohr, nur nehmen sie sich selten Zeit dafür. Aber drehen wir den Spieß einmal um: Was ist die Konsequenz, wenn uns dieses Ohr fehlt? Wenn wir unsere Sicht der Dinge nicht für eine „Meinung“ halten, sondern für die „Wahrheit“? Für solche Menschen gibt es allerlei Ausdrücke; wir nennen sie „verbohrt“, „Rechthaber“, „Fundamentalisten“ oder „Fanatiker“, alles Eigenschaften, die auf Kampf und Krieg gebürstet sind. Jeder von uns kennt solche Menschen und jeder von uns trägt solche Ansätze auch in sich, die besonders dann leicht zum Vorschein kommen, wenn wir uns gestresst fühlen.

Dann könnte ein Ausweg sein zu sagen: „Du, sorry, aber irgendwie steh ich grade unter Strom und kann dir nicht wirklich zuhören.“ Schon so ein einfacher Satz kann die Grundlage für besseres Zuhören schaffen.

Bobby Langer, Würzburg
In: Pfarrbriefservice.de

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Text: Bobby Langer, Würzburg
In: Pfarrbriefservice.de