Was ist der Sinn des Lebens?

Es lohnt, sich öfter diese Frage zu stellen

Wenn wir in die Augen eines Kindes schauen, wie sie leuchten und glänzen, wenn sie neugierig auf Entdeckung gehen und Antworten auf ihre Fragen suchen, so spüren wir, dass wir mit Fug und Recht nach dem Sinn in unserem Leben fragen dürfen. Trotzdem scheuen wir uns, diese schwierige Frage zu stellen. Der berühmte Psychiater Siegmund Freud meinte sogar: „Wer diese Frage stellt, ist krank.“ Sein ebenso berühmter Fachkollege Viktor Frankl hält ihm allerdings später mit Recht entgegen: „Wer diese Frage nicht stellt, der wird krank!“ 

Mögliche Antworten

Der saarländische Schriftsteller Johannes Kirschweng fasst den Sinn des Lebens in einem kleinen, erstaunlich einfachen Satz zusammen: „Wer da ist, soll versuchen, gut zu sein, das ist alles!“ Die antiken Philosophen sahen den Sinn des Lebens in der „Glückseligkeit“ dank einer guten ethischen Lebensführung. Die Frage allerdings, was genau dieses Glück ausmacht und auf welchen Wegen es erreicht werden kann, wird sehr unterschiedlich gesehen. Einige beantworten den Lebenssinn in der Wertschätzung der Lebensgenüsse, andere im so genannten „Nirwana“, jenem ewigen Ausgelöschtsein jeglicher Lebensäußerungen mit all ihren immer wieder beunruhigenden Bedürfnissen. Wieder andere sehen den Lebenssinn in einer konsequenten „Selbstbestimmung“. Die meisten erkennen wohl ihren Lebenssinn in der Erfüllung ethischer oder religiöser Normen und Gesetze. Eine christliche Sinnerfüllung sehen wir in der Nachfolge Jesu: seiner Gottesliebe und im Gleichklang von Nächsten- und Eigenliebe. Unser Leben, rein biologisch gesehen, ist nicht notwendig, ist ein „Geschenk“, das wir dankbar annehmen und pflegen sollten. Wir denken dabei an die biblische Botschaft, dass der „Odem“ (Atem) Gottes in uns atmet (Gen 2,7). Unser Leben ist ein Sein-Dürfen, eine Liebe, die möchte, dass wir sind.

Persönliche Antwort kann sich verändern 

Die vielen Antworten auf die Sinnfrage können unterschiedlich klingen, je nachdem welches Leben wir gerade im Moment führen. Im Wald – so heißt es in einer alten Geschichte – war eine große Stille eingetreten. Da soll ein kleiner Buchfink sein Köpfchen hoch gestreckt und gefragt haben: „Was ist eigentlich der Sinn des Lebens?“ Eine Rose entfaltete gerade ihre Knospe und sagte: „Das Leben ist Entwicklung.“ Ein lustiger Schmetterling flog von einer Blüte zur anderen und sagte: „Das Leben ist lauter Freude und Sonnenschein.“ Am Boden schleppte sich eine Ameise mit einem Strohhalm ab, der zehnmal länger war als sie selbst, und seufzte: „Das Leben ist nichts als Mühe und Arbeit.“ Nach der langen Nacht flammte auf einmal die Morgenröte in ihrer vollen Pracht auf und sprach: „So wie ich der Beginn des kommenden Tages bin, so ist das Leben der Anbruch der Ewigkeit.“ Diese kleine Geschichte zeigt uns, dass die Frage nach dem Lebenssinn nicht etwas Statisches ist, was von unserem Leben losgelöst wäre. Die Antwort kann sich stets verändern und spiegelt immer das wider, was wir gerade auf unserer Lebensreise erleben und bewerten. Deshalb sollten wir uns immer mal wieder die Möglichkeit einer Rast gönnen, um wieder in Stille darüber nachzudenken, was wir gerne an unserem derzeitigen Leben verändern möchten oder müssten. Das wird auch unsere jeweilige Antwort auf die Frage nach dem Lebenssinn verändern. 

Angesichts von Unmenschlichkeit am Sinn des Lebens festgehalten

Mit der Sinnfrage hat sich so gut wie niemand intensiver beschäftigt als der Psychologe Viktor Frankl. Er hatte als Jude vier Konzentrationslager, darunter Auschwitz, überlebt. In seinem Buch mit dem Titel „Sinn des Lebens“ beschreibt er die unmenschlichen Dinge, die er dort hatte erleben müssen. Er und die anderen Gefangenen, so schreibt er, hätten diese Leiden nur überstehen können, weil sie trotzdem am „Sinnvollen“ ihres Lebens, an seinen Werten festhielten. Weder physische noch psychische Stärke hätten darüber entschieden, ob die Gefangenen am Leben blieben. Der entscheidende Faktor war das Festhalten an einem Sinn, an einem Lebenswert: etwa für die Menschen da zu sein, die Hilfe brauchen. 

Manche Menschen können für uns wie wahre Diamanten sein, fest in ihrem Glauben, beständig in ihrem Wesen und kostbar in ihrer Freundschaft. Deshalb gibt uns Hubert Joost den Rat: „Suchet den Sinn des Lebens nicht in Euch selbst. Ihr seid der Sinn des Lebens für andere. Und die anderen sind es für Euch.“ Auch wenn wir diesen Sinn gelegentlich vermissen, allein das beständige Forschen nach dem Sinn wird stets als sinnstiftend erlebt. „Das Menschsein besteht doch darin, Träume zu haben,“ meint Eugen Drewermann, „denn Träume sind viel wirklicher als diese ganze verdammte Wirklichkeit.“ Das Herz unserer Sinnsuche ist also immer die Hoffnung, das „Verliebtsein ins Gelingen“, so der Philosoph Ernst Bloch.  

Stanislaus Klemm, Dipl. Psychologe und Theologe, In: Pfarrbriefservice.de

Vor dem Herunterladen:

Datei-Info:
Dateiformat: .rtf
Dateigröße: 0,05 MB

Sie dürfen den Text in sozialen Medien nutzen (z.B. Facebook, Twitter, Instagram, YouTube, etc.)

Beispiel für den Urhebernachweis, den Sie führen müssen, wenn Sie den Text nutzen

Text: Stanislaus Klemm, Dipl. Psychologe und Theologe
In: Pfarrbriefservice.de