Warum die Caritas einen Einheitstarif ablehnt

Ein Interview

„Bessere Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigten in der Altenpflege schafft nur die Politik gemeinsam, nicht die Caritas allein“, findet Norbert Altmann. Er vertritt die Dienstgeber der Caritas. In der Arbeitsrechtlichen Kommission gab es nicht die nötige Mehrheit, dass der Tarifvertrag Altenpflege für allgemeinverbindlich erklärt wird. In einem Interview erklärt er, warum.

Verhindern Sie mit Ihrer Entscheidung höhere Löhne in der Altenpflege? Gönnt die Kirche anderen Beschäftigten keine höheren Löhne?

Norbert Altmann: Nein. Wir zahlen seit Jahren bereits die höchsten Löhne in der Altenhilfe und seit 2009 kümmern wir uns in der Pflegekommission darum, dass alle Beschäftigten in der Altenpflege höhere Löhne bekommen. Nicht umsonst liegt der Mindestlohn einer ungelernten Pflegehilfskraft ab September 2021 bei 12 Euro. Nur zum Vergleich: Der allgemeine gesetzliche Mindestlohn auch für gelernte Kräfte liegt dann bei 9,60 Euro. Wir haben zudem dafür gesorgt, dass es einen Mindestlohn für einjährig ausgebildete Pflegehelfer und für Pflegefach-kräfte gibt. Von Verhinderung kann also keine Rede sein.

Warum haben Sie der Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrages Altenpflege von BVAP und ver.di nicht zugestimmt?

Norbert Altmann: Wir haben uns nicht um diese Entscheidung beworben. Diese Rolle hat uns die Politik zugeschrieben. Wir wollten nie in diese Rolle kommen. Die Politik hat uns vor die Wahl gestellt und wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht. Wir können aber weder in Detailfragen noch in grundsätzlichen Fragen diesem Tarifvertrag unsere Zustimmung erteilen.

Zu den Detailfragen: Der Tarifvertrag schreibt lediglich die Ergebnisse der Pflegekommission fort. Eine betriebliche Altersvorsorge, passgenaue Arbeitszeitmodelle oder Überstundenzuschläge sucht man darin vergeblich.

Zu den Grundsatzfragen: Die Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) der Caritas sind für die Beschäftigten deutlich lukrativer als der Tarifvertrag Altenpflege. Das heißt, für die Kostenträger sind die AVR der Caritas teurer. Wir sehen die Gefahr, dass die Kostenträger sich künftig am Tarifvertrag Altenpflege als Norm orientieren und unsere höheren Kosten nicht mehr refinanzieren werden.

Ist diese Haltung nicht sehr eigensinnig? Sie verwehren damit den anderen Beschäftigten höhere Löhne.

Norbert Altmann: Diese Frage müssen Sie an die Politik richten. Es gibt andere Wege, um zu einer höheren Tarifbindung und zu höheren Löhnen zu kommen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat einen Weg aufgezeigt. Er schlägt vor, nur noch Leistungserbringer mit Tarifbindung oder Tarif ähnlichen Vertragswerken zuzulassen. Das würde nicht nur zu einem Wettbewerb der Tarifverträge führen, sondern auch regionale Differenzierungen ermöglichen.

Mit Ihrer Haltung stehen Sie aber ziemlich allein. Höhere Löhne sind eine zentrale Forderung der Politik.

Norbert Altmann: Ja, das sind sie. Aber die Pflegebeschäftigten fordern vor allem bessere Arbeitsbedingungen. Mehr Kolleginnen und Kollegen und passgenaue Arbeitszeitmodelle liegen in deren Priorität vor oder gleichauf mit höheren Löhnen. Das wird Geld kosten und die Frage des Geldes im System der Pflegeversicherung kann nur die Politik lösen. Da gibt es von der Politik bisher keine Antworten. Wir stehen mit unserer Kritik an dem Weg der Allgemeinverbindlichkeit nicht allein. Die Kolleginnen und Kollegen der Dienstgeber der Diakonie sind auch nicht gerade glücklich. Und zahlreiche andere Trägerverbände scheinen auch mehr als skeptisch zu sein, denn sonst wären sie doch längst der Bundesvereinigung Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP) beigetreten. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) sieht wie auch Teile der Wirtschaftswissenschaft die Tarifautonomie gefährdet, der Verband der kommunalen Arbeitgeber befürchtet durch diesen Tarifvertrag größere Verwerfungen auch in ihrer Tarifstruktur und Arbeitsrechtler warnen davor, dass der Dritte Weg dadurch grundsätzlich in Frage gestellt wird. Da können wir doch nicht einfach sagen, das interessiert uns alles nicht - Augen zu und durch. Das wäre fahrlässig, zumal es andere Lösungswege gibt.

Interview: Elke Gundel
Quelle: www.caritas.de/bessere-pflege, In: Pfarrbriefservice.de

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Caritas

Die Caritas erläutert in diesem Flyer in knapper Form die Gründe, die die Arbeitsrechtliche Kommission bewogen haben, im Februar 2021 einen Flächentarifvertrag für die Altenpflege abzulehnen. Der Flyer enthält außerdem einen Link für weitere Informationen.

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Text: Elke Gundel, www.caritas.de/bessere-pflege
In: Pfarrbriefservice.de