Von der Lust zu leben

Die Schöpfung hat in uns einen Genossen, der nur leben kann, wenn er auch will. Das ist eine grandiose Ehre für den Menschen: Er ist um Einverständnis gebeten, hier zu sein. Die Tiere müssen existieren, der Mensch aber ist eingeladen, am Leben teilzunehmen. Er kann auch unter viel oder wenig Verzweiflung "sein Sterbchen machen".

Das Leben scheint inklusive aller Mühen sehr empfehlenswert, die Flucht von hier weg ist die Ausnahme, kommt unserem Sterben nur zuvor. Nicht das Leben wird verneint, sondern das Leben unter diesen Bedingungen wird abgestellt in der Hoffnung auf Neuland irgendwie.

Heiliger Geist als Stoff, aus dem die Lebenslust ist

Weil wir aber leben wollen müssen, brauchen wir dringend Heiligen Geist, den Stoff, aus dem die Lebenslust ist.  Es gibt viel Müdigkeit, Rückzug vor die Glotze, dumpfes Schweigen. Viele sind erstarrt, wissen nicht weiter. Oder sie fuhrwerken mit Menschen rum, saugen aus, produzieren Krieg, lassen Gehässigkeiten los. Wir brauchen den heiligen Geist, den Stoff, aus dem die Freude ist. Nicht Schadenfreude, nicht sich ins Fäustchen lachen, wieder jemanden über den Tisch gezogen zu haben, sondern helle Freude eben. Da lebt man gern und mag es, dass andere auch zurechtkommen.

Fast alles Schöne kostet nichts

Viel wird um des Geldes willen unternommen, das hat von ferne auch mit heiligem Geist zu tun. Geld ist ein Gleitmittel, das unsere Begabungen zueinander kompatibel macht. Aber fast alles Schöne ist zum Glück umsonst, wenn auch nicht billig: fast alles Köstliche, Verstehen, die Liebe, die Zeit, das Schauen und Merken ist für kein Geld zu haben. Vielleicht ist Aufmerksamkeit der Stoff der Stoffe, das Fluidum des Verstehens.

Freude an Menschen und an der Natur

Die Lust, sich gut zu fühlen, hängt sehr mit Freude an Menschen zusammen. Sympathie austauschen, Gemeinsames mögen und bewirken, bereden und beschaffen, das hebt. Andere mögen viel Lebenswillen aus der Natur schöpfen. Sie gucken den Bäumen, den Gärten, den balgenden Hunden die Freude am Dasein direkt ab. Andere gehen segeln und sind abends im Hafen unter Gleichgesinnten. Und es gibt noch Tausende weitere Stoffe und Muster von Lebenslust.

Der Sog zur Freude

Ist man nicht bei Trost oder schwach auf den Beinen, dann denkt man auf Besserung hin, entwickelt Instinkt, durch- und klarzukommen und bittet "Oh Geist, hilf unsrer Schwachheit auf". In uns ist ein Sog zur Freude. Wir müssen eine Lust sein, irgendwem und zunächst mal uns selbst. In uns sind viele kleine Depots angelegt, die speisen uns mit Elan. Dass es wieder mal zu einer Inbrunst kommt, zu einem In-brennen, einer Begeisterung, die hebt und weitet, dieses Wünschen, ist doch in dir, Mensch!

Von der Energie der Liebe sich beflügeln lassen

Auch dass du deine Arbeit kannst, ist doch ein Glück. Du hast was, das andere brauchen. Musst du so viel stöhnen? Sag nicht mehr so viel "Ich muss, ich muss". Sieh doch hin, du willst doch; nur in der Konsequenz dieses Willens sind dann auch Mühen zu erledigen.

Deine Gestimmtheit soll voll heiligem Geist sein, also Energie der Liebe beflügle dich. Wisse dich als Mensch, der das Miteinandersein günstig beeinflusst. In dir sind gute Kräfte gespeichert. Die können die Bosheitsquanten in Schach halten. Der Geist helfe unserer Schwachheit auf!

Gut von sich denken

Ein springender Brunnen für heiligen Geist ist die Kirche - unermesslich, was an Güteenergien durch die Christenheit sich zieht, bei allem Jammer auch. Pfingsten ist der Geburtstag der Kirche. Die Gründungsgeschichte erzählt, dass Brausen vom Himmel die Menschen erfasste, und Flammen zerteilt wie von Feuer, auf ihren Häuptern tanzten und jeder hörte sie die großen Taten Gottes reden, jeder in seiner Sprache.

Tun wir einander die großen Taten Gottes an - das Glück zu leben, zu lieben, zu hoffen und noch gern hier zu sein. Wir sind berufen, einander das Leben als gut zu dolmetschen. Die großen Taten Gottes in deiner Sprache vernimmst du, wenn du dich als große Tat der Allmacht begreifst. Doch, denk gut von dir, Gott hat dich ja erfunden, er liebt dich und braucht dich.

Wie wir das Gutheißen rüberbringen zum Nächsten ist ein ganz besonders kreativer Akt. Denn wir sind aus sprödem Material und schwierig, wir machen ja oft genug unsere eigene Arbeit schlecht, geschweige, dass wir des nächsten Werk sehr schätzten.

Gutes Gefühl füreinander haben

Darum brauchen wir nächst frischer Luft vor allem Heiligen Geist, in der Familie, im Betrieb, in unsern eigenen vier Wänden. Wir brauchen dringend ein gutes Gefühl für einander, müssen uns fördern statt uns niederzumachen. Beten wir um den Geist der guten Ganzheit, entdecken wir uns als Bruchstücke, die von der Liebe ganz gemacht werden.

Lebe gut, lache gut, mache deine Sache gut, stärk dich an Pfingsten.

Traugott Giesen
Traugott Giesen lebt und arbeitet als Inselpastor auf Sylt. Er schreibt regelmäßig Kolumnen für die Zeitschrift „Die Welt“ und hat zahlreiche Bücher zu christlichen Themen veröffentlicht.

aus: Andere Zeiten, Magazin zum Kirchenjahr, www.anderezeiten.de

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Das Schwerpunktthema für Juni 2008

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Text: Traugott Giesen
In: Pfarrbriefservice.de