„Trauer ist kein Buch, das ich einfach zuklappen kann“

Interview mit Alexandra Moschnitschka, die innerhalb von vier Monaten ihre Eltern verloren hat

„Ich war mit 33 Jahren Vollwaise“, sagt Alexandra Moschnitschka (Jg. 1971). Als ihre Eltern 2004 starben, war sie hochschwanger. Ihre Mutter verstarb acht Wochen vor der Geburt ihres zweiten Sohnes, ihr Vater acht Wochen danach. Ihr erstgeborener Sohn war damals drei Jahre alt. Wie sie diese Zeit erlebt hat, was ihr in der Trauer geholfen hat und wie sie heute damit umgeht, darüber spricht sie im Interview.

Wie hast du die Zeit damals erlebt?

Alexandra Moschnitschka: Ich war wie ferngesteuert, hab nur gehandelt. Die beiden Tode, die Geburt, die beiden Beerdigungen – die Verarbeitung kam erst später.

Wie verkraftet man so etwas?

Alexandra Moschnitschka: Das „Gute“ war, wir konnten uns auf den Tod vorbereiten. Meine Mutter war Jahre vorher an Krebs erkrankt. Kurz vor ihrem Tod kam er aggressiv zurück, die Ärzte machten mir keine Hoffnung. Und meine Mutter spürte, wie es um sie stand. Wir haben über ihren Tod gesprochen, sie akzeptierte ihn und konnte loslassen. Kurz vor ihrem Tod rief sie bei mir und meinem Bruder an und sagte: ‚Es wird alles gut’. Mein Vater war schwer herzkrank und wir rechneten auch mit seinem Tod. Er hatte mit Mutter einen Deal. Er wollte noch die Geburt des zweiten Enkels erleben und Mutter dann berichten, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist. Es war für uns alle eine sehr schwere Zeit.

Wie würdest du Trauer beschreiben?

Alexandra Moschnitschka: Man muss sie genauso akzeptieren wie das Leben. Und man muss sie verarbeiten. Sonst holt sie einen immer wieder ein.

Wie hast du deine Trauer verarbeitet?

Alexandra Moschnitschka: Ein Riesenschritt war, dass wir uns voneinander verabschieden konnten. Und auch mein Glaube hat mir geholfen. Ich glaube fest daran, dass wir uns wiedersehen und dass meine Eltern auf uns aufpassen. Die Warum-Frage brauch ich nicht stellen. Ich weiß, dass es keine Antwort gibt. Mir wäre auch lieber, wenn meine Eltern noch da wären.

Wie hast du die Trauer erlebt?

Alexandra Moschnitschka: Wie meinst du das? Trauer ist nicht wie ein Buch, das ich zuklappen kann. Sie holt dich immer wieder ein, mal mehr, mal weniger, vor allem in bestimmten Situationen oder an besonderen Tagen, wie Weihnachten oder an den Geburtstagen. Was für mich schlimm war nach der Entbindung, dass ich meine Mutter nicht anrufen konnte. Das hat sehr wehgetan.

Was hat dir in deiner Trauer geholfen?

Alexandra Moschnitschka: Meine Familie, vor allem mein Mann, und meine Freunde. Eine stille Umarmung bei der Beerdigung. Oder dass Wochen nach dem Tod meiner Mutter Menschen bei mir angerufen und mir gesagt haben, dass ihnen meine Mutter fehlt. Sie war für sie in ihrer mitfühlenden Art wie ein Engel auf Erden. Aber all diese lieben Menschen können nur beistehen. Das ist schwierig zu erklären. Sie haben mir geholfen und ich war sehr froh darum. Aber letztendlich muss man das mit sich selber ausmachen.

Wie hast du das mit dir selber ausgemacht?

Alexandra Moschnitschka: Ich habe es akzeptiert, wie es ist.

Das war aber ein längerer Prozess.

Alexandra Moschnitschka: Der geht ja heut auch noch. Ich sage ja, Trauer ist kein Buch, das du zuschlägst. Mir hat geholfen, viel drüber zu reden und ich habe auch sehr viel geweint. Weinen war für mich sehr wichtig. Es befreit und es ist genauso gesund wie lachen.

Wie fühlte sich das an, mit 33 Jahren Vollwaise zu sein?

Alexandra Moschnitschka: Meine erste Anlaufstelle fehlte. Mir kam nach dem Tod meiner Mutter immer wieder in den Sinn: Rufst halt mal deine Mutter an. Ich habe auch manchmal die Telefonnummer gewählt, aber es ging keiner hin. Lange noch hab ich die Telefonnummer immer wieder mal gewählt. Das hört sich vielleicht komisch an, aber das war so.

Wie geht es dir heute damit?

Alexandra Moschnitschka: Gut. Ich kann offen darüber reden. Natürlich habe ich noch schlechte Tage, wo ich meine Eltern vermisse. Aber wir sprechen viel von ihnen oder schauen uns Bilder an. Meine Eltern sind nicht weg, sie gehören dazu. Sie leben eigentlich mit uns, sie sind halt nur körperlich nicht da.

Interview: Elfriede Klauer, Pfarrbriefservice.de

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Text: Elfriede Klauer
In: Pfarrbriefservice.de