Pfingsten - Dem Geist auf der Spur

Gottes Geist kann man nicht beweisen. Aber man kann sich auf Spurensuche begeben und Menschen fragen, die er bewegt hat:

Pfingstsonntag. Ich habe Dienst. Einiges läuft schief, mein Chef brüllt mich zusammen und macht mich völlig klein. Pfingstmontag. Gottesdienst in St. Franziskus. Nach dem Gottesdienst drängt Pater S. mich noch zum Kirchcafe zu gehen. Ich will nicht, ich kenne doch niemanden. Verloren halte ich mich an meiner Teetasse fest, da kommt Pater S. herein, hinter ihm eine verschüchterte Frau, etwa mein Alter. „Das ist J., sie hat mir gerade gesagt, sie will nicht zum Kirchcafe, sie kennt doch keinen. Aber sie kennt Taizé, genau wie du.“ Nach fünf Minuten reden wir über Sorgen, Nöte, die Arbeit, Schüchternheit, als kennen wir uns ewig. Wir treffen uns nie wieder, aber wir haben uns im rechten Moment gedient und gebraucht. Am Dienstag gehe ich innerlich bebend zur Arbeit und traue mich, den Vorfall vom Sonntag zur Sprache zu bringen. Mein Chef sagt: „Dann habe ich Dir den Pfingstsonntag verdorben. Bitte um Entschuldigung.“

Cordula Baumgart

Seine Stimme am Telefon bat zögerlich, leise um ein Gespräch. Der junge Mann, der zu mir kam, wirkte in seinen Bewegungen eng und ängstlich, der Blick ausweichend, flüchtend. Ich hatte ihn schon einige Male in der Kirche bemerkt. Immer hinten auf einem Stuhl nahe der Tür. Er stahl sich schnell hinaus. Nun saß er vor mir, sagte: "Ich hab das noch nie gemacht, jemanden anzusprechen. Ich war auch noch nie unter so vielen Menschen wie in der Kirche. Ich habe viele Jahre in einem Heim gelebt. Ich bin ein Kellerkind..." Ich höre heraus, dass er als Kind lange eingesperrt war, geschlagen, misshandelt wurde. Viel sagt er nicht. Es ist ein Blick in eine ungeheuer verletzte Seele, in Grauen und Angst. Bei seinen Erzählungen kommen mir die Tränen.

Aber er sitzt da in dieser merkwürdig in sich verkrümmtem Haltung und erzählt mir vom Weihnachtsgottesdienst, von den Engeln, vom "Fürchte-dich-nicht!"

"Ich weiß nicht, was mich dahingeführt hat. Aber den Engel hab ich mitgenommen in meinem Herzen", sagt er. Vielleicht muss ich manchmal immer noch weglaufen, wenn die Angst kommt..." Ich nicke: "Gehen sie, wann immer sie wollen, auch mitten im Gottesdienst."

Am Sonntag darauf ist er wieder da, ganz hinten. Ein Abendmahlsgottesdienst. Er muss durch die ganze Kirche nach vorne. Ich halte fast den Atem an, als ich von vorne aus sehe, dass er aufsteht und geht. Er stellt sich mit uns in den Kreis und nimmt Brot und Wein. Er kommt jetzt ganz regelmäßig. Manchmal steigen ihm noch Tränen in die Augen. Aber ganz vorsichtig beginnt er, weniger schnell davonzulaufen.

Marie Kristensen

Bis tief in die Nacht hinein habe ich mit Ernst, dem gläubigen Christen, eine Aussprache. „Töte keinen Menschen“, fleht er mich an, „lege auf keinen Menschen eine Waffe an!“ Das sagt er dem Frontsoldaten, der weiß, dass er bald wieder auf dem Schlachtfeld sein wird. Ich fühle mich zutiefst verunsichert durch diese Worte. Am 20. Januar Alarm. An der Front werden dringend Soldaten verlangt. Es wird eine Kampftruppe aus Freiwilligen gebildet, die sofort zum Einsatz kommen sollen. Unser Hauptfeldwebel ruft: „Freiwillige vor!“ und er fügt hinzu: „Alle geschlossen oder keiner.“ Mir stockt das Herz. Ich höre Ernsts Stimme: Jetzt musst du dich entscheiden! „Töte keinen Menschen!“ ruft Ernst in mir. Da treten die noch verbliebenen Kameraden meiner alten 8. Kompanie allesamt vor. Ich fühle einen Riss in meinem Wesen. So helfe mir Gott. Mit einer Mischung aus Mut, Verzweiflung und Scham entscheide ich mich gegen meine bisherige Überzeugung und bleibe stehen. Ich fühle mich elend, weiß aber, dass ich soeben eine tiefgreifende Entscheidung getroffen habe. Ernst hat über mich, in mir gesiegt, gewiss fürs erste…

Horst Günther Weise

Sechs Tage lag er im Koma. Kurz vor dem Sterben. Plötzlich wacht er auf, steht aus dem Bett auf und ruft mit klaren Worten: „Gott, wenn es dich wirklich gibt, dann möchte ich eine neue Kreatur sein, ich habe nichts mehr zu verlieren“. Er weiß, er ist gesund, verweigert alle Medikamente und muss ein viertel Jahr lang aufgepäppelt werden. Die Ärzte untersuchen ihn und stellen fest, er ist ok. „Ich habe zwei Geburtstage, der eine 28.1.44, der andere 16.8.94. In der tiefsten Not hat mir Gott geholfen. Keine Stimme, kein Gänsehautgefühl, aber Klarheit. Ich konnte sehen wie alles neu geworden ist. Die Haut zuerst, Falten weg, Farbe ins Gesicht. Gott hat mich gesucht und gefunden. Ich hab verstanden, dass er mich liebt. Ich hab angefangen Menschen zu mögen und ich mag auch mich. Bekehrung, die habe ich nicht gemacht. Das ist reine Gnade. Ganz tief drinnen hatte ich eine Sehnsucht. Er war immer da. Er ist bei jedem Menschen. Aber er wollte es noch mal von mir hören, mit meinem ganzen Herzen gesprochen, dass ich zu Gott „Vater“ sage, an seine Liebe glaube.“

Erich Esch, protokolliert von Rolf-Dieter Seemann

aus: Andere Zeiten, Magazin zum Kirchenjahr, www.anderezeiten.de  

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Das Schwerpunktthema für Juni 2009

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Text: Andere Zeiten, Magazin zum Kirchenjahr
In: Pfarrbriefservice.de