"Ich spüre eine neue Offenheit für Gespräche"

Alois Glück, früherer Präsident des Bayerischen Landtags, ist seit 2009 Vorsitzender des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. In einem Interview mit Pfarrbriefservice.de nimmt er Stellung zu Kirchenaustritt und Veränderungen in der katholischen Kirche.

Herr Glück, das Zentralkomitee der deutschen Katholiken ist ein Zusammenschluss von Frauen und Männern, die sich für die katholische Kirche engagieren. Können Sie nachvollziehen, wenn Menschen diese Kirche verlassen?

Alois Glück: Die Motive sind ja ganz unterschiedlich. Da gibt es diejenigen, die schlichtweg eben Geld sparen wollen, und es gibt diejenigen, die aus großer Enttäuschung und mitunter oft auch mit schweren inneren Verletzungen gehen. Wir müssen das respektieren und es sollte uns entsprechend zu denken geben.

Wie argumentieren Sie, wenn Ihnen jemand sagt: ‚Damit die Kirche endlich aufwacht, gibt es von den Gläubigen nur ein Handeln und zwar den massenhaften Austritt aus der Kirche.’?

Alois Glück: Mit einem Auszug aus einer Gemeinschaft verändert man nichts in einer Gemeinschaft. Kritik und Appell sind auch nur glaubwürdig, wenn dies mit der Bereitschaft verbunden ist, sich zu engagieren. Im Übrigen macht mir noch mehr Sorge als die Austritte die ungemein größere Zahl von Gläubigen, die sich in diesem Jahr unserer Kirche entfremdet haben, in die innere Emigration gegangen sind. Die große Frage und Aufgabe ist jetzt, wie können wir Vertrauen zurückgewinnen, mit diesen Menschen wieder ins Gespräch kommen? Dabei gibt es einen unauflöslichen Zusammenhang zwischen Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Also müssen wir zuerst Gewissenserforschung zum Thema Glaubwürdigkeit halten.

Eine Frau äußert sich im Internet zu ihrem Kirchenaustritt folgendermaßen: ‚Die katholische Moralapostel-Kirche ist in Wirklichkeit ein Haufen Lügner, Heuchler, Feiglinge. Es tut mir sehr leid, ich bin gläubig, aber hinter dieser Institution kann ich nicht stehen.’ Was sagen Sie dazu?

Alois Glück: Pauschalierungen dieser Art sind immer falsch und auch in besonderer Weise für unsere Kirche, in der es neben all dem Abgründigen, zu dem Menschen fähig sind, auch viele großartige und glaubwürdige Menschen gibt, „einfache“ Gläubige und Persönlichkeiten in Führungsämtern. Es gilt das Ganze zu sehen, dann sind Enttäuschungen auch leichter zu verkraften.

Für die katholischen Bischöfe gilt ein Kirchenaustritt als ‚schwere Verfehlung’, die u.a. mit der Exkommunikation geahndet wird. Menschen, die aus Protest austreten, aber sich immer noch als gläubig empfinden, fühlen sich dadurch wohl erst recht nicht verstanden. Braucht es von amtlicher Seite her einen anderen Umgang mit ausgetretenen Christen?

Alois Glück: Solche Situationen sind immer sehr individuell. Ich weiß von einem Bischof, der alle, die in seiner Diözese ausgetreten sind, zu verschiedenen Gesprächsrunden eingeladen hat. Er berichtet, dass praktisch bei keinem Treffen eine Gesprächssituation entstanden ist im Sinne von Aufeinander-hören. Er hat in diesen Gesprächen jedenfalls nur polarisierende Ablehnung erlebt. Über diesen Weg geht es offensichtlich nicht. Einzelgespräche sind sicher besser, sind aber nur in begrenzter Zahl und aus der Situation heraus möglich. Wir haben dabei eine kirchenrechtliche Situation und gleichwohl müssen wir auch diesen Menschen mit Respekt und Aufmerksamkeit begegnen.

In einem Beitrag für liborius.de fordern Sie dazu auf, angesichts der Krise in der Kirche nicht zu resignieren, sondern sich zu engagieren. Wie können Katholiken Ihrer Ansicht nach vor Ort an Veränderungen in der Kirche mitwirken?

Alois Glück: Ich bin Realist, es ist immer von den örtlichen Strukturen und genau genommen sehr stark vom Verhalten des Pfarrers oder der Geistlichen in Gemeinschaften mit abhängig. Es gehen uns viele qualifizierte Leute aus dem Engagement weg, weil sie sich nicht ernst genommen fühlen. Trotzdem, wo immer möglich, sollten wir hartnäckig weiterarbeiten.

Für wie realistisch halten Sie Veränderungen in der katholischen Kirche?

Alois Glück: Wer hätte 1964 an den Aufbruch eines neuen Konzils geglaubt? Ich glaube an das Wirken des Heiligen Geistes und ich spüre, dass mit der Schockerfahrung dieses Jahres doch viel neue Offenheit für Gespräche entstanden ist. Jetzt kommt es darauf an, überall eine gute Gesprächskultur zu pflegen und einen neuen Aufbruch zu wagen. Das ist auch das Motto des Katholikentages 2012 in Mannheim.

Vielen Dank für das Gespräch.

Die Fragen stellte Elfriede Klauer, www.pfarrbriefservice.de

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Text: Elfriede Klauer
In: Pfarrbriefservice.de