Gestorben für unsere Sünden - Was heißt das?

[…] Im Neuen Testament […] finden sich die Worte, dass Jesus “gestorben sei für unsere Sünden”. Was heißt das? Ich werde konkret.

Als ich letzte Woche Montag zum Reifenwechsel fuhr, hörte ich im Autoradio eine Morgenandacht. Ich schöpfe nun aus meinen Erinnerungen. Ein katholischer Geistlicher ging der Frage nach: “Wie kommt der Fisch in die Wurst?” Er selber hatte wohl geraume Zeit in Peru gearbeitet. Den Menschen in den Küstengebieten ist der Zugang zum Fisch verunmöglicht. Zu teuer, um vom Fischfang - im Sinne von Verkauf - zu leben; zu teuer, um vom Fisch - im Sinne von Ernährung - zu leben. Riesige Mengen Fisch werden von Großkonzernen gefangen, zu Fischmehl verarbeitet und - nun kommt es - zum Futter für die Tiere, die auch wir essen… so kommt der Fisch in die Wurst mit allen katastrophalen Folgen für die Menschen in Peru, besonders für die Kinder.

Soweit meine Erinnerungen an die Morgenandacht. Ein Beispiel, das mir und uns zeigt, mein bzw. unser Lebensstil produziert Opfer. Übertragen auf die Person Jesu: Wie viele Pilatusanteile, Kaiphasanteile, Petrus- und Judasanteile, aber eben auch Anteile der Frauen, die den tödlichen Weg Jesu solidarisch und unter Lebensgefahr weinend mitgehen, liegen auf dem Boden meiner Seele. “Gestorben für meine Sünden”, das heißt für mich, diese Welt aus der Perspektive der Opfer betrachten, aus Jesu Perspektive und z. B. aus der Perspektive der peruanischen Kindern. Eine solche Perspektive einzunehmen hat etwas Schmerzliches, besonders, wenn wir beim Essensgenuss in die Augen der weinenden Kinder schauen.

Diese Perspektive hat auch etwas Befreiendes, Erlösendes. Es ist ein Ja zum Perspektivenwechsel, ein Blick in die Augen der Opfer und Schuldübernahme im Angesichte der Opfer. Die Bereitschaft, ein Leben zu führen, das nicht immer wieder neue Opfer produziert. […]

Jetzt erschließt sich auch der Sinn des beim Abendmahl gesungenen “Agnus Dei”, das “Christe, du Lamm Gottes”. Das Opfer der religiösen und politischen Männerwillkür - Jesus - auf Seiten der Opfer und selber Opfer. Mit Bezug zur Morgenandacht: Auf der Seite der peruanischen Kinder, nicht der Großkonzerne, die machen, dass der Fisch in die Wurst kommt.

Gehen wir einen letzten Schritt, nämlich den der Frauen zum Grab. Gottes Antwort auf den Karfreitag ist Ostern. Gott steht auf der Seite des Opfers, nicht der Täter; auf der Seite Jesu, nicht auf der Seite von Pilatus und Kaiphas […], die im Namen Gottes Opfer fordern und Opfer machen.

Ostern ist die Konsequenz der Sprache Jesu vom bedingungslos liebenden Gott und die Konsequenz seines Perspektivwechsels, nämlich die Welt aus der Perspektive der Opfer zu sehen. Was ist mit den peruanischen Kindern, die sterben? […] Karfreitag schreit nach Ostern und Ostern öffnet den Blick auf den Gekreuzigten und auf alle Opfer meines Lebensstils. Lebt Jesus in Gott, leben die Opfer in Gott und lebt letztlich Gott selber. Gott rettet die Opfer in eine Wirklichkeit hinein, wo niemand mehr Opfer verlangt oder produziert. […]

Pfarrer Matthias Dreier (ev.)
Aus einer Predigt, gehalten am Karfreitag 2011 in der Johanneskirche Bielefeld Quelle, www.predigtpreis.de

Der Link zum vollständigen Text: http://www.predigtpreis.de/predigtdatenbank/newsletter/article/predigt-ueber-opfertod-und-opferperspektive.html

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Text: Matthias Dreier
In: Pfarrbriefservice.de