Frauen in der Kirchengeschichte

Frauen erheben ihre Stimme in turbulenten Zeiten – Reformerinnen in Mittelalter und Früher Neuzeit

Im Mittelalter entwickelten sich unter Papst Bonifaz VIII. strenge Klausurvorschriften für Nonnen. Sie wurden hinter verschlossene Klostermauern und damit rigoros aus aller Öffentlichkeit verbannt. Dies tat jedoch dem Selbstbewusstsein und Engagement der tätigen Nächstenliebe der Jungfrauen Christi keinen Abbruch. Worüber wir heute noch vergleichsweise wenig wissen, ist das tatsächliche – nicht das idealisierte – Leben und die Vorstellungswelt religiöser Frauen im Mittelalter. Hildegard von Bingen (1098–1179) kennen wir heute praktisch nur noch als Heilkundige und Visionärin. Dass sie auch handfeste Kirchenpolitik betrieb, auf öffentliche Predigtreisen ging und von Päpsten und Kaisern geachtet war, ist allgemein kaum noch bekannt. Glücklicherweise führte ihre Erhebung zur Kirchenlehrerin 2012 zu einem neuen Interesse an ihrem Leben und ihren Schriften jenseits von Themen wie Kräutermischungen und Dinkelbrot, die nur den Vermarktungsinteressen der Ernährungsindustrie dienen. Zur karitativen Zuwendung der Frauen zu den Kranken und Armen der Gesellschaft trat in der Frühen Neuzeit verstärkt die Mädchenbildung hinzu. Vorreiterinnen waren z.B. die „Englischen Fräulein“, gegründet von Mary Ward (1585–1645), die sich mit einer erneuten Verschärfung der Klausur für Nonnen nicht zufrieden gaben. Mit der Bildungsbewegung des Humanismus kamen nämlich echte Chancen für protestantische sowie katholische Frauen auf. Dies bedeutete auch einen enormen Schub im Selbstbewusstsein, wie es in Worten Mary Wards aus dem Jahr 1617 deutlich wird. Kritiker beschuldigten sie wiederholt, sich das öffentliche Predigen anzumaßen. Dies führte dazu, dass sie zeitlebens um die päpstliche Erlaubnis ihres unklausurierten Fraueninstituts ringen musste, aber letztlich jedoch scheiterte. Erst 2004 erfüllte sich das von ihr begonnene Lebenswerk: Ein Zweig ihrer MaryWard-Schwestern, die Congregatio Jesu, die sich auch über die Jahrhunderte hinweg nicht unterdrücken ließ, wurde päpstlich erlaubt. Noch heute finden wir europaweit Maria-Ward-Schulen. Mary Ward selbst ist auf dem Weg zur Heiligsprechung.

Literaturhinweise und Quellen

CYPRIAN, De habitu virginum 22.
DELBRÊL, MADELEINE, Auftrag des Christen in einer Welt ohne Gott (Theologia Romanica, 24), Einsiedeln3 2006.
GRIESER, HEIKE, Gegen alle Konventionen. Die ersten Asketinnen, in: Welt und Umwelt der bibel 4 (2015), 54–59.
HOLZEM, ANDREAS, Mann – Frau – Partnerschaft. Genderdebatten des Christentums. Bilanzen und Perspektiven, in: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 35 (2016), 15–28.
MARY WARD UND IHRE GRÜNDUNG. Die Quellentexte bis 1645, Bd.1–4 (Corpus Catholicorum, 45–48), hg. v. Ursula Dirmeier, Münster 2007.
PETERSEN, SILKE, Wenn Frauen männlich werden (sollen), in: Welt und Umwelt der Bibel 4 (2015), 36–37.

Michaele Bill-Mrziglod, aus: „Frauengeschichten: Gerecht. Leben. Gestalten“, München 2022, © Landesstelle der Katholischen Landjugend Bayerns, S. 20-26, In: Pfarrbriefservice.de

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Text: Michaele Bill-Mrziglod, aus: „Frauengeschichten: Gerecht. Leben. Gestalten“, München 2022, © Landesstelle der Katholischen Landjugend Bayerns, S. 20-26
In: Pfarrbriefservice.de