Die Heilige Messe im Alltag leben: Abbild Christi werden!

Aus dem Hirtenbrief von Bischof Joachim Wanke zur österlichen Bußzeit 2002

Das ist sicher der am meisten vergessene Aspekt der Mitfeier der Heiligen Messe. Gerade die häufige Wiederholung der Messe zeigt an, dass es bei dieser Feier um einen Prozess, um einen Weg geht. Es geht um unsere Verwandlung in den Leib Christi. Wie ist das zu verstehen?

So ähnlich, wie eine Freundschaft mit einem guten Menschen mir hilft, dessen gute Seiten auch in mir auszuprägen. Christus ist ja bei der Heiligen Messe unter uns als der, der sich durch sein Leben und Sterben ganz dem Vater im Himmel geschenkt hat. In der Sprache der Liturgie sagen wir: Er ist als der am Kreuz "Geopferte" gegenwärtig, als Lamm, das unsere Sünden trägt. Diese Gegenwart schenkt er uns aber nicht deswegen, damit wir dies bloß zur Kenntnis nehmen, vielleicht einige fromme Gefühle haben und ansonsten zur Tagesordnung übergehen.

Auf das Mitmachen kommt es an! Kürzlich hörte ich jemanden sagen: "Freude am Singen habe ich beim Mitsingen in einem Chor gefunden!" Fußballspielen lernt man nicht beim Zuschauen auf den Rängen (womöglich mit der Bierdose in der Hand). Fußballspielen lernen die jungen Leute auf der Wiese, auf dem Sportplatz um die Ecke, zusammen mit anderen, indem sie einfach anfangen mitzuspielen.

Das wollen meine Beispiele ausdrücken: Die Heilige Messe ist keine Theateraufführung, wo es Leute auf der Bühne und Zuschauer im Saal gibt. Die Heilige Messe kennt nur Mitspieler. Christus schenkt uns dieses "Andenken an sein heilbringendes Leiden", damit wir nach und nach in Seine Lebensgestalt hineinwachsen.

Wer am Sonntag an der Feier der Eucharistie "teil-nimmt",

  • der hat die Botschaft des Evangeliums gehört. Der Zeitgeist wird nicht seinen Alltag bestimmen;
  • der hat seinen Schwestern und Brüdern den Friedensgruß gegeben. Er kann in seinen täglichen Aufgaben nicht im Ellenbogen den wichtigsten Körperteil sehen;
  • der hat die Heilige Kommunion empfangen. Er ist bereit zum Teilen und zur Versöhnung.

Um diesen Prozess der Umwandlung, des Lernens, des Neu- und Anderswerdens geht es bei der wiederholten Mitfeier der Messe. Ich bete häufig bei der heiligen Wandlung, wenn Christi Leib und Blut der Gemeinde gezeigt werden, mit diesen Worten: "Vater im Himmel, mache mich zusammen mit Christus auch zu einer Gabe, die dir wohlgefällt!" Wer so betet, weiß, was er nach der Heiligen Messe in seinem Lebensalltag zu verändern hat. Nämlich all das, was dem Willen Gottes widerspricht, was Gott (um einmal menschlich zu sprechen) beleidigt, was uns von Christus und seinem Lebensstil trennt, z. B. Egoismus, Gleichgültigkeit gegenüber Gott und den Mitmenschen, Trägheit des Leibes und der Seele.

Die Heilige Messe ist Training für ein Wachsen in der Christusähnlichkeit. Ihr wisst: Liebe hinterlässt immer Spuren. Sie macht den anderen besser. Liebe kann verwandeln. Wer sich den am Kreuz geopferten Christus zum "Liebhaber", zum Lebensbegleiter auswählt, wird im eigenen Leben nicht ohne schmerzhafte Selbstkorrekturen bleiben können. Christi Lebenshingabe an den Vater muss unsere Lebenshingabe werden – mehr und mehr und immer glaubwürdiger und echter.

Darum, liebe Mitchristen, ist nicht so sehr das Gefühl und die Erfüllung – wie man so sagt – "religiöser Bedürfnisse" bei der Heiligen Messe wichtig, sondern der heilige Wille, sich verwandeln zu lassen in ein Abbild Jesu Christi. Darum schenkt sich uns Christus in der Heiligen Kommunion: Nicht, damit wir uns selbstzufrieden zurücklehnen können, sondern damit der alte Adam in uns mehr und mehr ausgetrieben wird und sich der neue Mensch, nach Christi Bild und Gleichnis, in uns ausprägt. Ich wünschte mir manchmal, die Heilige Kommunion würde - wie eine bittere Medizin - auch ein wenig weh tun, so ähnlich, wie echte Liebe und Freundschaft weh tun können, wenn man hinter ihren Ansprüchen zurückbleibt. Wer die Heilige Messe richtig mitfeiert, muss anfangen anders zu leben. Billiger geht es nicht!

Liebe Schwestern und Brüder!

Wenn ich diese Zeilen schreibe, stelle ich mir Euren konkreten Gottesdienst vor. Ihr seid jene, die als fester Kern eurer Pfarrgemeinde in Treue und Regelmäßigkeit die Heilige Messe mitfeiern. Mein Wunsch ist, dass ihr dies nicht nur aus Pflichtgefühl heraus tut. Die österliche Bußzeit hat ja etwas mit dem Wiedergewinnen geistlicher Freude zu tun. Von der Heiligen Messe muss der "Grauschleier" einer falschen Gewöhnung verschwinden.

Meine Einladung: Stoßt durch das Sichtbare bei der Messe hindurch zu der unsichtbaren Dimension dieser Feier vor! Zuschauen allein reicht nicht.

  • Wir müssen uns durch unseren Herrn an die Hand nehmen und zum Vater führen lassen.
  • Wir müssen zulassen, dass Jesus Christus uns nach seinem Bild umgestaltet. Sein Lebensprogramm der Liebe zu Gott und dem Nächsten soll mehr und mehr unseren Alltag prägen.

Auf uns wartet ja das himmlische Jerusalem. Aber wir kommen dort nur hinein mit dem "hochzeitlichen Gewand", und das ist das "Lebensgewand" Jesu. Sorgen wir dafür, dass es uns immer besser passt!

Bischof Joachim Wanke
Quelle: www.bistum-erfurt.de/

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Das Schwerpunktthema für April 2011

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Text: Bischof Joachim Wanke
In: Pfarrbriefservice.de