Dialogbereit

Der Interkulturelle Dialog beginnt mit Neugierde und Interesse am anderen

Die folgenden Texte dürfen unverändert im Pfarrbrief nachgedruckt werden. Sie stammen aus:
Bekir Alboga, Georg Bienemann, Werner Höbsch: DIALOGBEREIT, Christen und Muslime im Gespräch – Eine Klärungshilfe für soziale Berufe, hg. von der Katholischen Landesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz NRW e.V., Münster, 2007.

Dieses gerade wegen seiner leichten Verständlichkeit empfehlenswerte Werk ist inzwischen im Buchhandel erhältlich unter dem Titel „Christen und Muslime Tür an Tür – Basiswissen kompakt“ (München 2008, Don Bosco Verlag)

Interesse am Dialog

Die Gesellschaft, die bunter und kulturell vielfältiger geworden ist, fordert heraus: Entweder beginnen Menschen als Antwort auf die neue Situation Mauern zu bauen und sich abzuschotten oder sie gehen aufeinander zu, wagen Begegnung und Dialog.

Der Interkulturelle Dialog beginnt mit Neugierde und Interesse am anderen. „Mich interessiert der Fremde, wie er lebt, was er wichtig findet, was er macht und wie er handelt, warum so und nicht anders.“ Aus ersten, vorsichtigen Fragen und Antworten entwickelt sich ein Gespräch, möglicherweise eine Einladung. Der Fremde bekommt einen Namen, sein Gesicht prägt sich ein. Und umgekehrt: Gegenseitiges Interesse baut Hemmnisse ab, vielleicht auch Vor-Urteile, ganz gewiss Unkenntnis.

Um sich besser verstehen zu lernen, ist eine Haltung wichtig, die sich so umschreiben lässt:

  • Auf gleicher Augenhöhe reden.
  • Respekt vor dem anderen haben und vor dem, was andere wichtig finden.
  • Bereit sein zu geben und zu empfangen.
  • Den (noch) Fremden ein wenig in das eigene Leben hinein nehmen, so gut es geht.
  • Gespannt sein, was sich entwickelt.
  • Zeit und langen Atem haben.

Werden mit dieser Haltung positive Erfahrungen verknüpft, kann der Kreis größer gezogen werden. Da gibt es nicht nur den Nachbarn oder Kollegen aus einem fremden Land, einer fremden Kultur. Aus einem „multikulturellen Nebeneinander“ wird ein „interkulturelles Miteinander“. Gemeint ist: Nicht das Trennende, die Andersartigkeit und womöglich ein anderes Glaubensbekenntnis stehen oben an, sondern ein Klima des Interesses aneinander und ein Bewusstsein der Zusammengehörigkeit, weil Menschen sich ergänzen und die Gesellschaft bereichern. Es geht nicht um Gleichmacherei und um die Verdrängung unterschiedlicher Entwicklungsprozesse. Das Andere und der Andere dürfen und sollen anders sein und bleiben, aber sie sind nicht Anlass zur Ausgrenzung, sondern Grund, den Reichtum der Vielfalt zu erkennen.

Und nun interessiert auch die Religion: Weil bestimmte Festtage, Gebetszeiten, Bräuche und Regeln auffallen, entstehen Fragen. Oder ein gläubiger Muslim fragt seinen Kollegen nach seinem christlichen Glauben. Sprachlosigkeit. Das Sprechen über den Glauben oder den Nichtglauben ist häufig neu zu lernen. Neugierig geworden lässt sich auch diese Dimension des Lebens ein wenig ausleuchten. Das setzt Vertrauen voraus, auch eine Gesprächskultur, die nicht von Besserwisserei und Missionierungstendenzen geprägt ist. Der interreligiöse Dialog kann beginnen…

Große Sensibilität und großer Respekt wird von beiden und allen Seiten erwartet, damit dieser Dialog gelingen kann. Warum? Weil es um die Freilegung der Wurzeln geht: Woher kommt jemand, was hat ihn geprägt, was war in seiner Kindheit wichtig? Wie lebte seine Herkunftsfamilie, welche Werte haben die Eltern vorgelebt? Hatte Gott einen Platz im Leben? Was wurde verinnerlicht? Und wovon hat sich eine Frau oder ein Mann später in mühsamer Arbeit getrennt, verabschiedet? Was ist aus dem Glauben der Kindheit geworden? Konnte der Kinderglaube reifen bzw. nachreifen? Oder wurde irgendwann ein Schlussstrich gezogen, Religion und Glauben sollten ausgedient haben, nicht mehr das Leben mitbestimmen? (S. 18-19)

Wie viel Religion braucht der Mensch?

Für gläubige Menschen ist Religion ein Verhältnis oder eine Beziehung, die sie eingehen, nämlich eine Beziehung zu Gott. Dies setzt im Übrigen - ähnlich wie bei Freundschaft und Liebe - eine persönliche und freie Entscheidung voraus. So wenig wie Liebe Einengung und Gängelung verträgt, so wenig auch die Religion. Religion ist eine Beziehung zu Gott, eine frei gewählte Bindung oder Verankerung, aus der heraus das Leben gestaltet und das Leben betrachtet werden kann.

Wie viel Religion braucht der Mensch? Diese Frage lässt sich - wenn man ehrlich ist - nicht beantworten, ebenso wenig wie die Frage: Wie viel Liebe braucht der Mensch? Da bleibt die Frage des alten Propheten Jesaja aktuell (dieser Text ist in der Bibel zu finden): „Warum bezahlt ihr mit Geld, was euch nicht nährt, und mit dem Lohn eurer Mühen, was euch nicht satt macht?“ Und weiter dann die Einladung Gottes: „Neigt euer Ohr mir zu, und kommt zu mir, hört, dann werdet ihr leben!“ (Bibel: Jesaja 55, 2a und 3a) Brauchen nicht auch heute Menschen Brot, Brot für die Seele? Und braucht nicht in diesem Sinne jeder Religion? (S. 21)

Frieden leben – Bischof und Imam begegnen sich

Martin Happe ist katholischer Bischof von Nouakchott (Mauretanien). Er lebt unter Muslimen. Bischof Happe berichtet immer wieder von guten Erfahrungen, die er im Zusammenleben von Muslimen und Christen macht: „In Nouakchott wohne ich in einem ruhigen Wohngebiet in einem Haus, das etwa 20 Jahre von einer französischen Familie mit drei Kindern bewohnt wurde. Da dieses Haus etwa einen Kilometer von der Pfarreikirche entfernt liegt und sich von den Nachbarhäusern äußerlich nicht unterscheidet, bekomme ich auch bisweilen Besuch von Leuten, die sich nicht an die katholische Gemeinde wenden würden.

So wurde mir eines Tages der Besuch des Imam der Moschee unseres Stadtviertels gemeldet: Ich gehe meinem Besucher gleich zur Tür entgegen und vor mir steht ein relativ junger Mann, ganz in weiß gekleidet, mit seinem mächtigen schwarzen Bart, der unter dem Turban herausschaut. Aber was mir sofort auffällt, sind die Augen, die eine große Gutmütigkeit und Freundlichkeit ausstrahlen. Sobald wir in meinem Büro sitzen, erzählt mit der Imam in einem sehr einfachen, aber praktisch fehlerfreien Französisch, er habe die Gewohnheit, regelmäßig alle Häuser seines Stadtviertels zu besuchen. Bisher habe er aber die von Europäern bewohnten Häuser ausgelassen. Die Europäer sprächen in der Regel kein Arabisch und er habe kein Französisch gekonnt. Er hätte auch nicht recht gewusst, was er den Europäern hätte erzählen sollen. Dann aber seien an einem Sonntagabend zwei Priester in der Kirche von Nouakchott von einem muslimischen Fanatiker lebensgefährlich verletzt worden. Da habe er sich entschlossen, Französisch zu lernen, um den Christen in seinem Viertel sagen zu können, dass diese Tat mit dem wahren Islam nichts zu tun habe.

Mir hat es erst einmal die Sprache verschlagen. Bei seinem zweiten Besuch habe ich ihn zu seiner Moschee begleitet. Da konnte ich dann feststellen, dass der Mann nicht nur Hausbesuche macht, sondern auch einer Koranschule für Kinder des Viertels vorsteht. Die dürften wohl in ihrem späteren Leben nicht zu Fundamentalisten und Fanatikern werden.“ (S.62)

Wie können Menschen von Gott sprechen?

„Gott ist eine Erfindung der Menschen, nicht mehr. Die Menschen haben sich stets ihre eigenen Götter erschaffen, nicht umgekehrt.“ So äußert sich eine 17jährige auf die Frage, warum sie nicht an Gott glaubt. Mit dieser Aussage ist der Kernpunkt des Gottglaubens berührt. In der Beantwortung der Frage nach der Existenz Gottes unterscheiden sich gläubige Juden, Christen und Muslime von Nichtglaubenden: „Ist Gott eine Erfindung des Menschen oder der Mensch eine Erfindung Gottes?“ Oder in religiöser Sprache: „Hat Gott den Menschen erschaffen oder der Mensch Gott?“

Juden, Christen und Muslime stimmen in der Aussage überein, dass Gott Himmel und Erde erschaffen hat. Doch die Vorstellungen von Gott und die Namen, unter denen sie Gott anrufen und verehren, sind unterschiedlich.

Juden verehren Gott als den, der das Volk Israel aus dem Sklavenhaus Ägyptens befreit hat, der Israel am Sinai die Tora übergeben und mit seinem Volk einen Bund geschlossen hat. Juden bezeugen: Gott ist treu, er steht zu seinem Wort und seinem Volk.

Christen beginnen ihre Gottesdienste und Gebete oft mit der Formel: „Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes“. Dieser Glaube an Gott den Dreieinen unterscheidet sie von Juden und Muslimen. Mit dem Judentum teilen sie den Glauben an Gott, den Schöpfer und Befreier. Sie unterscheiden sich aber von den Juden durch ihren Glauben, dass Jesus von Nazaret der Sohn Gottes ist und Gott in Jesus Mensch geworden ist. Gott wirkt nach dem Glauben der Christen in der Kraft des Heiligen Geistes, der auch heute Menschen begeistert und antreibt, aus dem Glauben heraus Leben positiv zu gestalten.

Für Muslime ist der Glaube an den einen und einzigen Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde, zentral. „Muslim“ hat die gleiche Wortwurzel wie „Islam“ und bezeichnet einen gottergebenen Menschen, der sich Ihm hingibt. Nach dem Glauben der Muslime hat Gott den Menschen sein Wort durch den Propheten geoffenbart. Im Koran hat Gott - nach dem Glauben der Muslime - sein Wort dem Gesandten Muhammed letztgültig mitgeteilt. Muslime lernen Gott im Wort Gottes kennen und beginnen jede Handlung mit der Formel: „Im Namen Gottes, des Allerbarmenden, des Barmherzigen“. Damit ist die Beziehung des Menschen zu seinem Schöpfer durch und von Seiner Barmherzigkeit und Gnade gekennzeichnet. Fünf Mal am Tag ruft der Muezzin im muslimischen Gebetsruf den Gläubigen in Erinnerung: Laa ilaaha illallaah: „Es gibt keinen Gott außer Gott!“ (S.65 - 66)

Waris Dirie:

Meine Mutter glaubt mit jeder Faser ihres Herzens an Allah. Sie kann ohne Allah weder atmen noch irgendetwas tun. Sie kann kein Korn mahlen noch die Ziegen melken, ohne ihrem Gott dafür zu danken. So wurde auch ich erzogen, und dafür liebe ich sie. Durch das Leben in der westlichen Welt habe ich das Gefühl dafür verloren, bei jedem Schritt mit meinem Gott in Verbindung zu stehen. Mehr und mehr befürchte ich nun, alles zu verlieren, wenn ich nicht in die Heimat meiner Seele, in die Wüste, zurückkehrte. (aus: Nomadentochter, München 2002)

Jesus in christlicher und islamischer Sicht

  • In christlicher Sicht ist Jesus der Sohn Gottes, der „Christus“ (griech. christos, der Geheiligte). Auf diesem Glauben fußt das Christentum. In islamischer Sicht ist Jesus ein Prophet und Gesandter Gottes, aber ganz und gar Mensch.
  • Verbunden mit der Gottheit Jesu ist die christliche Überzeugung von Gott als dem einen in drei Personen: Gott Vater, Gott Sohn und Gott Heiliger Geist. Der Islam lehnt die Vorstellung eines Dreieinen Gottes ab.
  • Das Christentum bezeugt den Tod Jesu am Kreuz. Der Koran weist diese Überzeugung zurück und lehrt, dass eine Jesus ähnliche Gestalt gekreuzigt wurde.
  • Nach christlichem Glauben hat Jesus sein Leben für das Heil der Menschen hingegeben. Nach islamischer Auffassung ist jeder für sich selbst verantwortlich und keiner kann die Last eines anderen tragen. (S. 84)
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Das Schwerpunktthema für Oktober 2011

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Text: Bekir Alboga, Georg Bienemann, Werner Höbsch
In: Pfarrbriefservice.de