Dem Leben entgegen

Als Alleinreisender konfrontieren mich Paare immer wieder mit der Aussage: „Wie kannst du nur alleine in den Urlaub fahren!“ Die Vorstellung ohne Begleitung unterwegs zu sein, macht Menschen Angst. Ich gebe zu, manchmal schränkt es ein, alleine zu reisen. Bei der Reiseplanung kontrolliert nur ein Augenpaar die Strecke und Fragen wie zum Beispiel „Was mache ich, wenn ich krank werde? Wie komme ich zu Geld, wenn meine Brieftasche gestohlen wird?“ sind gewichtiger, als dies für Gruppen oder Paare der Fall ist. Als Alleinreisender erlebe ich aber auch Freiheiten. Wenn ich einen Ort zum Verweilen entdecke, dann unterbreche ich die Reise und brauche keine Angst zu haben, dass ich meine Mitreisenden ausbremse. Was ich hier über einen Urlaub berichte, gilt für das Leben. Wer sich entscheidet, alleine zu leben, der wird mit vielen Fragen konfrontiert, über die man sich Gedanken machen sollte.

Unverheiratet nein danke

Für mich fangen die Überlegungen damit an, wie ich mich bezeichne. „Single“, nein, das war ich mit zwanzig. Der Begriff hat etwas Unverbindliches. Er ist stimmig für Menschen, die auf der Suche nach ihrer Lebensform sind. Diese Lebensphase sollte irgendwann abgeschlossen sein, da das ewige Suchen Energie für die Gegenwart und Entwicklung der Persönlichkeit bindet. „Unverheiratet“ geht gar nicht, da ich mich nicht als „un“, als Mangelerscheinung empfinde. „Alleinstehend“ schon eher. Hier schwingt Selbststand und Verantwortung mit. „Ledig“ finde ich ansprechend, da es vom Mittelhochdeutschen „gelenkig“ kommt. Ein Gelenk ist ein wichtiger Teil eines Körpers; es ist flexibel, aber auch verletzlich.

Jede Lebensform muss gestaltet werden. Wer sich entscheidet, ledig zu bleiben, kann damit rechnen, dass es einsame Stunden im Leben gibt. Wer diese nur bedrückend erlebt und nicht auch inspirierend, der sollte eine andere Lebensform wählen. Wer sich in die Einsamkeit flüchten möchte und keine Gemeinschaft pflegt, sollte seine Beziehungsfähigkeit prüfen und nicht als Alleinstehende, als Alleinstehender das Leben meistern wollen.

Vom Ich zum Du zum Wir

Beziehungen zu pflegen ist für den Menschen überlebenswichtig. Für Ledige bedeutet dies oft mehr Aufwand. Das Leben in Gruppen muss gepflegt und Urlaubspartner (ja, auch ich reise nicht nur alleine) müssen gesucht werden. Wer alleine lebt, ist auf die ehrliche Rückmeldung seiner Freunde angewiesen. Ansonsten besteht die Gefahr, sonderbar zu werden. Es gibt Untersuchungen, nachdem „Single“ die besseren Netzwerker sind. In Lebensabschnitten der Krankheit und des Alters sind intensive Beziehungen für Alleinlebende überlebenswichtig. Nicht alle Bedürfnisse können alleine gestillt werden und so muss jede und jeder Ledige damit umgehen lernen.

Das Abschlussdokument der Jugendsynode „Christus Vivit“ ermutigt Menschen, die zum Leben alleine berufen sind, sich ihrer Taufberufung anzunehmen. Als Zeuginnen und Zeugen diese zu leben, stellt eine wichtige Aufgabe für die Gesellschaft dar. Nur, wer sich zum „Du“ hin öffnet, kann wachsen und erlebt Menschsein und Christsein. Als Ledige bzw. Lediger muss ich mich fragen: „Was möchte ich mit der Kraft und der Zeit anstellen, die ich frei habe? In welcher Lebensform diene ich mehr dem Leben?“ Für manche ist es das Leben in einer Partnerschaft, für andere in einer klösterlichen Gemeinschaft, für weitere als Priester oder eben für mich als Lediger.

Winfried Brandmaier in: Beziehungsweise(n). Impulse. Persönliches. Informationen. Werkbrief für die Landjugend. © Landesstelle der Katholischen Landjugend Bayerns, München 2019. www.landjugendshop.de, In: Pfarrbriefservice.de