„Blickst du da noch durch?“

Von Verwirrungen und Durcheinander – Was gibt Halt?

Unsere Welt, unser Leben und unser Alltag sind sehr komplex, vielgestaltig und vielschichtig. Allerdings gewinnt man immer mehr den Eindruck, dass vieles für uns in letzter Zeit noch schwieriger und komplizierter geworden ist. Dennoch wohnt in uns von Anfang an jene Grundfähigkeit, aus einer „Vielzahl“ auszuwählen, auszublenden und zu vereinfachen. Wir schaffen uns die Welt so, wie wir sie besser verstehen können und manchmal auch verstehen wollen. 

Schwierig wird es, wenn Menschen alles Erdenkliche unternehmen, um unsere ohnehin schwierige Welt noch komplizierter zu machen – aus Habgier, Machtstreben, Dummheit und Verantwortungslosigkeit heraus. Ja, wer blickt heute noch durch, wenn uns in unserem gesellschaftlichen, politischen, auch im kirchlichen Leben ein geradezu verwirrender Wust an Wörtern die Ohren verklebt? Wenn billige Versprechungen und manchmal hochprozentige Lügen das Grundgefühl von Sicherheit, Vertrautheit und Hoffnung immer mehr zu betäuben scheinen? Wer filtert für uns die Krümel an Wahrhaftigkeit aus den unzähligen „Narrativen“ heraus? Wer blickt noch durch, wenn riesige Geldströme über dunkle Kanäle und mafiöse Verflechtungen schamlosen Reichtum fördern oder Kriege vom Zaun brechen? Wer blickt noch durch, was genau er jeden Tag isst und trinkt, was er einatmet und was ihn alles unmerklich bedroht und beeinflusst? Vieles, was uns gestern noch Halt und Orientierung gab, was uns als gültiges Wertesystem galt, scheint sich immer mehr aufzulösen, zu zerbröseln oder sogar zusammen zu brechen. 

Lieber alles „schwarz-weiß“?

Eine besonders große Gefahr in einer Welt, die uns immer mehr den Durchblick erschwert, sind alle radikalpolitischen, populistischen und sektiererischen Versuche vieler Gruppen und Organisationen, die uns vorgaukeln möchten, wie „einfach“ unsere Welt doch „gestrickt“ sein soll, wie schnell und beruhigend es sei, alles „schwarz-weiß“ zu sehen und wie „einfach“ die Lösungen erscheinen, so „populär“. 

Was wir dringend brauchen, ist ein Ruhepol, ein fester Haltepunkt. Es ist wie beim Klettern – wenn wir uns mit der einen Hand gut festhalten, können wir die andere Hand getrost einmal loslassen. Für mich persönlich ist es eine unerschütterliche Gewissheit, dass es in allem hektischen Auf und Ab, in allen möglichen verwirrenden Situationen auch immer etwas gibt, was mir diese Ruhe und diesen Halt verschaffen kann: eine ureigene Lebenserfahrung, ein geliebter Mensch oder aber eine überzeugende Glaubenserfahrung. Selbst wenn wir den Eindruck haben, den Durchblick total zu verlieren, wäre das Wort eines saarländischen Schriftstellers mehr als nur ein Trost. Johannes Kirschweng schrieb einmal einen verblüffend einfachen, aber wahren Satz, der für uns wie eine Richtschnur sein kann: „Wer da ist, soll versuchen, gut zu sein, das ist alles.“

Stanislaus Klemm, Dipl. Psychologe und Theologe, In: Pfarrbriefservice.de
 

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Text: Stanislaus Klemm, Dipl. Psychologe und Theologe
In: Pfarrbriefservice.de