Auf ne Limo…

Fühle ich mich einsam? Matthi und Linus erzählen!

Matthias und Linus sind Freunde seit der ersten Klasse. Sie sind grundverschieden. Doch ihre Freundschaft verbindet ihren Spaß am Diskutieren. Mittlerweile studieren die beiden und wohnen circa 200 km voneinander entfernt. Doch, wenn sie sich treffen, kann es passieren, dass sie nachts um drei immer noch debattieren. Heute überlegen die beiden, was Einsamkeit ist, diskutieren über den Unterschied zwischen einsam sein und alleine sein und erzählen von ihren eigenen Erfahrungen.   

Linus: Sag mal, fühlst du dich einsam, wenn du alleine bist?

Matthi: (überlegt) Mmmh…

Linus: Oder ist Alleinsein nie einsam?

Matthi: Mmh, wenn du alleine bist, bist du immer einsam.

Linus: Vielleicht nicht immer, du kannst ja auch bewusst alleine sein.

Matthi: Ich würde sagen, dass man Einsamkeit über zwei verschiedene Wege definieren kann. Da gibt es die tatsächliche Einsamkeit, wenn du niemanden hast, an den du dich wenden kann. Keine Familie hast, keine Freunde. Und dann gibt es die Einsamkeit, wenn du das alles hast, aber eine Einsamkeit in dir hast.

Linus: Ja, da bin ich voll dabei. Ich nenne das immer "allein sein" und "einsam sein". Bist du allein oder fühlst du dich allein und ausgeschlossen von allen anderen.

Matthi: Ich war noch nie in so einer Situation. Ich glaube, wie sich einsam sein, nicht Alleinsein, sondern einsam sein anfühlt, das kenne ich nicht. Ich glaube, das ist bei psychischen Krankheiten ähnlich. Es ist schwer das nachzuvollziehen und zu verstehen, wenn man das nicht fühlt.

Linus: Hast du dich auch nicht punktuell einsam gefühlt?

Matthi: Ich habe es zum Beispiel jetzt im Moment. Ich war mit einem Freund zehn Tage in Frankreich im Urlaub. Du hast die ganze Zeit jemanden um dich herum und danach bist du plötzlich wieder allein zuhause in deinem Zimmer. Das ist ein ziemliches Downgrade. Ich fühle mich in dem Moment nicht einsam. Das Gefühl kommt punktuell, weil wenige Leute da sind.

Linus: Ich finde es spannend, dass du das mit dem Frankreichurlaub erzählst, weil ich das als Entzug bezeichnen würde. Du bist auf Sozialentzug. Als Einsamkeit würde ich es bezeichnen, wenn du dich nicht einsam fühlen solltest, weil du von Leuten umzingelt bist. Aber trotzdem hast du das Gefühl völlig allein zu sein. Zum Beispiel merke ich manchmal, wenn ich unter Leuten bin: Ich fühle mich einsam! Es ändert sich nichts. Es wird nicht besser. Dann bin ich völlig hilflos, weil ich keinen Hebel habe, den ich betätigen kann, um aus der Einsamkeit herauszukommen.

Matthi: Ich glaube, das ist Typsache. Da gibt es sicherlich Leute, die anfälliger dafür sind. Ich habe eine Familie mit der ich zusammenlebe. Ich könnte schlecht alleine wohnen. Wenn ich ausziehe, bräuchte ich eine WG. Obwohl ich mit meiner Familie nur beim Essen zusammen bin, merke ich, dass mir Sachen weniger Spaß machen, wenn sie weg sind. Wenn du alleine wohnst, fühlst du dich mit Sicherheit schneller einsam.

Linus: Finde ich spannend. Ich gebe dir voll recht. Ich habe auch das Gefühl, dass es bei mir Typsache ist. Ich kannte das bei mir in der Pubertät, der Klassiker. Ich war der typische Jugendliche, der sich gefragt hat: Bin ich anders als die anderen? Aber das lag am Alter und an der Zeit.

Matthi: Und es ist von der Situation abhängig. Eine Freundin von mir ist in der Coronapandemie weggezogen. Sie hatte keine Erstitage. Sie hatte die Uni nicht. Sie hatte verdammt wenige Leute um sich herum. Wenn du ein sozialer Mensch bist, ist das belastender, als wenn du ein Eigenbrödler bist.

Linus: Ja, manchmal ist es situativ. Bei mir war das so, als ich nach Frankreich gezogen bin und faktisch einsam war. Ich war nicht alleine. Ich hatte meine Gastfamilie, aber es spricht niemand deine Sprache. Es interessiert sich niemand für dich. Das klingt hart, aber du musst die Leute erst einmal davon überzeugen, dass es sich lohnt, sich für dich zu interessieren. Du bist irgendein fremder random Deutscher.

Matthi: Ist man da nicht übel interessant? Boah schau mal, da ist jemand, der spricht eine andere Sprache. Aber in Paris vielleicht nicht?

Linus: Ich glaube erstens nicht in der Großstadt und zweitens geht es nicht über den Smalltalk hinaus. Es ist spannend zu hören, woher du kommst und was für eine Sprache du spricht.

Matthi: (unterbricht) Sag mal was auf Deutsch (lacht).

Linus: Genau und das war´s dann. Ich glaube, wenn du dir bewusst bist, dass du dich einsam fühlst, weil du in einer Situation bist, in der es schwer ist, sich nicht einsam zu fühlen, kommst du da gut raus. Du musst einfach gucken, wie du neue Leute kennenlernen und die Situation verbessern kannst.

Ronja Goj, In: Pfarrbriefservice.de

Weitere Materialien
Verknüpft mit:

Das Schwerpunktthema für Juli/August 2023 – Spezialausgabe mit Materialien für die Jugendseite

Vor dem Herunterladen:

Datei-Info:
Dateiformat: .rtf
Dateigröße: 0,07 MB

Sie dürfen den Text in sozialen Medien nutzen (z.B. Facebook, Twitter, Instagram, YouTube, etc.)

Beispiel für den Urhebernachweis, den Sie führen müssen, wenn Sie den Text nutzen

Text: Ronja Goj
In: Pfarrbriefservice.de