Anno Domini - Wie die Jahre zu ihrem Namen kamen

In vorchristlicher Zeit gab es verschiedene Methoden, ein Jahr unmissverständlich zu bezeichnen: Die jüdische Welt hatte sich einen absoluten Bezugspunkt dadurch geschaffen, dass sie einen genauen Zeitpunkt der Schöpfung annahm und ihn mit 3760 Jahren vor Christi Geburt festgesetzt hatte. Die Römer dagegen verfügten nicht über einen absoluten Fixpunkt, wie z. B. den Weltbeginn. Sie bezeichneten nach Steuerjahren, der legendären Gründung Roms (lat. „anni ab urbe condita“), Konsulatsjahren und/oder Regierungs- oder Lebensjahren der Kaiser. Oft wurden sogar der Unverwechselbarkeit wegen mehrere Angaben gleichzeitig gemacht. Einen bekannten Beleg für diese Methode enthält auch die Bibel: „In jenen Tagen erließ Kaiser Augustus den Befehl, alle Bewohner des Reiches in Steuerlisten einzutragen. Dies geschah zum erstenmal; damals war Quirinius Statthalter von Syrien.“ (Lk 2, 1).

Die Geburt Jesu als zeitübergreifender Bezugspunkt

Zur ältesten Bezeichnung einer längeren Jahresreihe mit laufenden Zahlen wurde die diokletianische Ära (284 - 305, lat. "anni Diocletiani"), die aus einsichtigen Gründen (wegen der Christenverfolgung, Anm. d. Red.) nach der Konstantinischen Wende 313 auch "aera martyrum" genannt wurde. Die Christen übernahmen zunächst das vorfindliche System der Jahresbezeichnung, kennzeichneten aber die völlig neue Ära durch das Hinzufügen von "unter der Herrschaft Christi" (Märtyrerakten des 2. Jahrhunderts). Das gestiegene Selbstbewusstsein der Christen ließ es nach einer gewissen Zeit nicht mehr zu, die Zeit nach einem kaiserlichen Christenverfolger zu benennen. Der in Rom lebende skythische Mönch Dionysius Exiguus, mit der Berechnung der Ostertermine beauftragt, errechnet im 6. Jahrhundert Auferstehung und Geburt Jesu. Er setzt das 247. Jahr Diokletians mit dem 531. Jahr nach Christi Geburt gleich.

War für den Alten Bund die Schöpfung der Welt der Ausgangspunkt zur Zeitberechnung, stellen die Christen nun das Erscheinen des Messias dagegen. Die Inkarnation Jesu wurde zum zeitübergreifenden Bezugspunkt bei der Jahresbenennung. Die Weltgeschichte ließ sich nun klar in eine Zeit "vor" und eine Zeit "nach" Christus einteilen. Von Christus aus und vor allem durch Christus - so das Denken - berechnet sich die Zeit neu. Er ist der in allen Zeiten geltende Bezugspunkt des ewigen Gottes. Theologisch bemerkenswert an diesem Vorgang ist, dass die Christen, die erfolgreich begonnen hatten, sich "in der Welt" einzurichten, nicht mehr den Tod und die Auferstehung Christi, sondern seine "Menschwerdung" zum Bezugspunkt machten. Zur Benennung dieses Zeitpunktes gab es viele Namen: anni ab incarnatione, a nativitate domini, anni Christi gratie, anni gratie, - salutis, - verbi incarnati, - orbis redempti, - reparate salutis, - nostre reparationis, - trabeationis, - partus domini, - post partum virginis.

Neue Jahresbezeichnungen sind gescheitert

Alle revolutionären politischen Systeme - Franzosen, Sowjets, italienische Faschisten und deutsche Nationalsozialisten -, die eine neue Jahresbezeichnung einführen wollten, sind gescheitert. Die Geburt Christi als Zeitenwende wird auch von Nichtchristen angewandt, wenn sie "vor Christi Geburt" mit "vor der Zeitenwende" ersetzen. Dionysius Exiguus ging davon aus, die Geburt Jesu habe am 25. Dezember des Jahres, das dem Jahr 1 unserer Zeitrechnung vorausgeht, stattgefunden. Da er sich aber, wie inzwischen allgemein anerkannt wird, verrechnet hat, muss die Geburt Christi - hält man sie nicht einfach für eine fiktive theologisch begründete Festsetzung - auf den 25. Dezember des Jahres 7 vor (!) Christus angesetzt werden.

© Dr.theol. Manfred Becker-Huberti, Köln
Quelle: www.festjahr.de

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Das Schwerpunktthema für Dezember 2009

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Text: Dr.theol. Manfred Becker-Huberti
In: Pfarrbriefservice.de