Allerseelen, ein typischer Novembertag, der an unsere Vergänglichkeit erinnert und dennoch in die Zukunft weist

Heute ist Allerseelen, ein Gedenktag, der allen Verstorbenen gewidmet ist. Deshalb treffen sich in diesen Tagen viele an den Gräbern ihrer Angehörigen, schmücken sie und zünden zum Zeichen ihrer Hoffnung Kerzen an. Das ist mehr als ein schöner Brauch, auch wenn sonst vom Allerseelentag nicht mehr viel übrig geblieben ist. Er ist ein normaler Arbeitstag. Der traditionelle Gang auf den Friedhof wird daher meist auf einen anderen Tag verschoben, etwa den Allerheiligentag, und mit dem Wort „Allerseelen" können viele sowieso nichts mehr anfangen. Das ist allerdings nicht besonders tragisch, denn dieser Tag erinnert uns ja nicht an Seelen, sondern an liebe Menschen, die uns nahe standen und die durch ihren Tod nicht einfach vergessen sind.

Allerseelen ist nicht der einzige derartige Gedenktag in diesem Monat. Mitte November ist der Volkstrauertag und eine Woche später feiern evangelische Christen den Ewigkeitssonntag, der früher „Totensonntag“ hieß. Der November scheint der Monat des Todes. Das passt auf jeden Fall zur Jahreszeit. In der Natur sind Blühen und Reifen abgeschlossen, die Früchte sind geerntet. Jetzt liegen die Felder brach. Überall scheint sich das Leben zurückgezogen zu haben. Das drückt vielen aufs Gemüt. Am liebsten würde so mancher daher wohl den ganzen Monat November aus dem Kalender streichen. Er passt nicht zur Sehnsucht nach Lebensfreude und heiteren Augenblicken. Die vielen nasskalten Stunden, der Nebel, die kurzen Tage und die langen Nächte belasten. Speziell in den Städten spüren wir in den gut geheizten und beleuchteten Büros zwar weniger davon und das normale Alltagsgeschehen ist im November das gleiche wie im Rest des Jahres, trotzdem aber fühlt sich diese Zeit doch anders an als der Frühling mit seinen überall aufbrechenden Knospen oder die langen hellen Sommertage.

Einige ziehen daraus die Konsequenz und verbringen diese Wochen in sonnigeren Gegenden. Aber auch dort gibt es natürlich trübe Regentage und wirklich entfliehen kann niemand dem, was November im übertragenen Sinn bedeutet. Das ist auch gut so, denn alles hat seine Zeit und das Leben besteht nicht nur aus fröhlichen Festen. Ohne die Niederungen des Alltags gäbe es keine Höhepunkte und ohne die tristen Novembertage gäbe es kein Aufblühen im Frühjahr. Diese Gewissheit der Natur gilt auch für uns Menschen. Auch wir brauchen den Rhythmus des Werdens und Vergehens, die Spannung zwischen Erwartung und Erfüllung, das Vorwärtseilen und den Rückzug. Auch uns tut es gut, wenn wir einmal eine gewisse Zeit lang „brach“ liegen dürfen ohne die Angst, sofort aussortiert und abgeschrieben zu werden, sobald wir die geforderte Leistung nicht erbringen. Das hört sich einfach an, die meisten aber wissen aus ihrer Erfahrung, wie schwer das zu verwirklichen ist und nicht selten liegen die größten Widerstände gegen diese Gewissheit sogar in uns selbst.

Natürlich ist dieser Rhythmus unseres Lebens nicht an den Kalender gebunden, aber der November kann uns daran erinnern, dass dunkle Erfahrungen, dass Stille und Einsamkeit ebenfalls zu uns gehören. Tage oder Stunden der Ruhe sind keine verlorene Zeit, in ihnen kann einer auftanken und Kräfte sammeln. Und nicht nur das! Wer innehält und zur Ruhe kommt, nur dem kann aufgehen, was ihn ständig ganz selbstverständlich umgibt und sein Leben erst möglich macht. Meist nehmen wir all das gar nicht bewusst wahr und brauchen es doch so nötig wie die Luft zum Atmen. Ich denke hier zum Beispiel an die Zuverlässigkeit, mit der die Straßenbahn und der Omnibus im Allgemeinen verkehren; ich denke an die Semmeln, das Brot oder die anderen Waren, die ich jederzeit kaufen kann. Wir haben uns daran gewöhnt, obwohl es schon einmal anders war.

Daran zu denken kann einen dankbar machen und helfen, ein wenig bewusster und damit intensiver zu leben. In meinen Augen ist dies eine Chance, die ganz besonders zum November gehört und die uns auf eine überraschende Weise dort bereichert und beschenkt, wo die äußeren Umstände dies nicht vermuten lassen. Alles hat eben seine Zeit, seine Berechtigung, auch der häufig so düstere Monat November.

Mit freundlicher Genehmigung:
Autor: Pfarrer Dr. Dieter Katte, München
Katholische Hörfunkarbeit für Deutschlandradio und Deutsche Welle, Bonn
www.dradio-dw-kath.eu

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Das Schwerpunktthema für November 2013

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Text: Pfarrer Dr. Dieter Katte
In: Pfarrbriefservice.de