"Zuversicht wächst für mich da, wo ich mich in Gott verankere"

Interview mit Bruder Paulus über die Kraft, angesichts von Problemen nicht zu resignieren, sondern mitanzupacken

Menschen, die einfache Lösungen versprechen und die Gesellschaft spalten, drängen weltweit in die Politik, wichtige Probleme, wie die Klimaveränderung oder der Waffenhandel, werden ignoriert, Minderheiten, die sich von der Mehrheit z.B. durch ihre Religion oder Hautfarbe unterscheiden, fühlen sich bedroht. Ist es unchristlich, angesichts dieser weltweiten Entwicklungen zu resignieren?

Bruder Paulus: Christen sehen die Welt mit den Augen Jesu und sind überzeugt davon, dass die Welt bereits erlöst ist. Alles, was noch nicht gelöst erscheint, ist das Kreuz Christi. Das Kreuz aber ist für uns Christen ein Siegeszeichen. Das heißt also, für Christen gibt es keine Probleme, sondern Herausforderungen, die es mit Gottes Hilfe zu bewältigen gilt.

Was sagen Sie einem, der Zuversicht missversteht als ein All-die-Probleme-nicht-wahrhaben-wollen?

Bruder Paulus: Das Schöne am Christentum ist ja, dass es uns aufklärt. Der aufgeklärte Mensch erhebt sein Haupt, der sieht die nahende Erlösung, und mit der Perspektive, dass Gott es richten wird, wird er erst fähig, überhaupt die Dinge heute anzupacken. Wir empfangen die Kraft, das Unsere zur Vollendung der Welt beizutragen. Darum heißt es ja auch in einem Gebet der Heiligen Messe „erlöse uns von allem Bösen“  und „damit wir voll Zuversicht das Kommen unseres Erlösers Jesus Christus erwarten“. Das ist eine Erwartung, die uns zum Handeln drängt.

Gott wird es richten, sagen Sie – davon ist aber gerade nicht viel zu spüren, oder?

Bruder Paulus: Es ist interessant, dass Gott zur Erlösung der Welt nicht als Überflieger gekommen ist, sondern die Krippe wählt, die Außenseiter, die Ausgestoßenen, die Hirten, und dass er in Jesus Christus die Ausgegrenzten aufsucht, die Unreligiösen, die, die keine Hoffnung mehr gehabt haben. Es ist interessant, dass Jesus leise Schritte geht und alle Versuchungen, die man an ihn heranträgt - „Werd doch jetzt endlich mal laut“ und „Hau mal auf den Putz“ - zurückweist. Man findet ihn betend auf dem Berg. Das ist für mich der Schlüssel. Zuversicht wächst für mich da, wo ich auf Distanz gehe, mich in Gott verankere. Dort ist mein Friede, und dann geh ich in die Welt hinaus. Für mich ist die Heilige Messe letztlich der Ort, an dem ich in die Welt hineingeschickt werde, nachdem ich wieder gesammelt worden bin bei dem, der mitten in der Welt im Zerbrechen der Welt Auferstehung verheißt.

In der Bibel ist ganz oft davon zu lesen, dass Gott für die Menschen damals ihre Zuversicht und Stärke war. Könnten wir Menschen heute davon lernen?

Bruder Paulus: Das ist ein sehr schönes Psalmwort: „Du bist unsere Zuversicht und unsere Stärke“. Wenn ich das so bete, dann stelle ich mich zu den vielen Juden, die es im KZ gebetet haben, die das in der Wüste gebetet haben, in der Vereinzelung, ich stelle mich zu den Christinnen und Christen, die verfolgt sind, und auch zu jenen, die mit persönlichem Leid konfrontiert sind, die als Arbeitgeber nicht wissen, ob der Betrieb weitergeht – immer wieder neu „Du bist unsere Zuversicht und Stärke“. Das ist ein Protestsatz gegen die Übermacht des Faktischen.

Was meinen Sie damit?

Bruder Paulus: Das Faktische ist wichtig, Gott hat uns den Verstand gegeben, der ist auch getauft. Damit sollen wir alles tun, um gerecht zu sein, um die Liebe zu leben. Gleichzeitig wissen wir auch, unsere Kraft ist begrenzt. Und darum beten wir: Du bist unsere Zuversicht und Stärke. Man nennt das auch Demut. Ich glaube, nur der demütige Mensch kann zuversichtlich sein. Wer glaubt, dass er es selber richten kann, der wird auf jeden Fall verzweifeln und am Ende den Kopf in den Sand stecken oder die Probleme im Alkohol ertränken. Der wird glauben, dass in der Flucht die Lösung liegt. Der demütige Christ, der voller Zuversicht auf den Gott schaut, der uns an sich zieht, der wird stark, im Hier und Heute sich zu bewähren. „Euer Glaube wird mehr geprüft, wie Gold im Feuer geprüft wird“, heißt es auch in der Heiligen Schrift. Das zuversichtliche Erwarten der Wiederkunft Christi macht stark zum Handeln im Heute, weil wir an ein Reich glauben, wo Shalom herrscht, der umfassende Friede. Und alles, was heute nicht Frieden ist, das wollen wir mit verändern. Und zwar in kleinen Schritten und auch nicht so, dass wir andere dabei ausgrenzen und auch nicht so, dass wir andere dabei klein machen, um uns selber groß zu fühlen. Das ist, glaub ich, die größte Versuchung unserer Zeit, dass Menschen beginnen, schnelle Lösungen herbeizureden. Mauer hoch, Grenze zu, Leute abhalten – wir können das Leid der Welt nicht einfach in einen Keller sperren und obendrauf eine Tanzfläche eröffnen. Sondern Christus geht in den Keller -  mit uns. Und dort sollen wir tanzen.

Interview: Elfriede Klauer, Pfarrbriefservice.de

Zur Person

Bruder Paulus Terwitte ist Kapuzinermönch, leitet das Kapuzinerkloster Liebfrauen in Frankfurt am Main und steht der Franziskustreff-Stiftung vor, einer Hilfseinrichtung für wohnungslose Menschen. Bekannt ist er als Buchautor, Referent und Fernsehmoderator.

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Text: Elfriede Klauer
In: Pfarrbriefservice.de