Urlaubsoasen im Alltag

Das raten spirituelle Expertinnen und Experten

Fast das ganze Jahr hat man sich auf den Sommerurlaub gefreut, jetzt ist er schon wieder vorüber. Aber deshalb muss es mit dem Ausspannen nicht vorbei sein. Spirituelle Experten verraten, wie Sie sich die Erholung möglichst lang erhalten können, und geben Tipps für kleine Auszeiten zwischendurch.

Zeitmulden

Im Tag sind zahlreiche Zeitmulden verteilt: viele kleine Übergänge und Pausen. Etwa das Warten auf den Bus oder bis der Kaffee durchgelaufen ist, das Hängen in einer Telefonwarteschleife … All das sind Gelegenheiten, um aus dem ständigen Tun und Machen auszusteigen und in Tuchfühlung zu kommen mit dem Hier und Jetzt. Ich versuche, in solchen Momenten ganz bewusst in die Gegenwart zu kommen. In den Sinnen zu sein: Was geschieht um mich herum? Was nehme ich wahr? Und meine Aufmerksamkeit nach innen zu richten, was mich beschäftigt und bewegt. Denn allein der gegenwärtige Augenblick – der Augenblick, den ich jetzt lebe – ist wirklich! Allein er nährt und stärkt. Zeitmulden gleichen vielen kleinen Auszeiten, die einen – über den ganzen Tag verstreut – aufatmen und durchatmen lassen. Und wer präsent ist, ahnt bisweilen, in der Gegenwart von etwas Größerem zu sein. „Der Augenblick ist das Gewand Gottes“, formuliert der Philosoph Martin Buber. Die Zeitmulden entbergen auf einmal eine ungeahnte Tiefe.

Melanie Wolfers
Bestsellerautorin, Podcasterin, Ordensfrau, www.melaniewolfers.de, Quelle: www.innehalten.de, In: Pfarrbriefservice.de

Erholungszeiten

Die Erholungszeit braucht kleine Schwestern. Den Sonntag neu heiligen: Er ist der Anfang einer neuen Woche. Geschenktes Durchatmen. Nicht verdiente Ruhepause: Schaffe mich neu, Gott, an diesem Tag. – Weiter: Das Morgen- und Abendgebet als noch kleinere Schwestern des Urlaubs. So beginnt der Tag mit der erholsamen Unterbrechung des „ich muss“: Nein, ich darf aufstehen, in den Tag gehen, meine Berufung leben. Wer sich morgens diese Erholungszeit schenkt, gern mit dem Vaterunser, dem Rosenkranz, den Laudes, wie man sie auf dem Smartphone mit der Kirche beten kann (App Stundengebet) – der wird sich lange über den großen Urlaub freuen. Und abends ähnlich: den Ritus neu justieren, wie der Tag ausklingt. Stille einkehrt. Gewissen erforscht wird. Komplet gebetet wird: In deine Hände lege ich mein Leben. Nun lässt du, Herr, deinen Knecht in Frieden scheiden … Das bringt einen runter vom „Selbstmachenmüssenstress.“ Und lässt einen in einen erholsamen, eingeplanten Sieben-Stunden-Schlaf gleiten. Wie erholsam!

Bruder Paulus Terwitte
Kapuziner, Autor und Coach, Quelle: www.innehalten.de, In: Pfarrbriefservice.de

Rituale

Nach dem Urlaub wartet auf uns oft all die Arbeit, die liegen geblieben ist. Manche geraten dann wieder in den alten Trott. Doch da ist einmal der Grundsatz wichtig: eins nach dem andern. Ich kann nicht alles auf einmal erledigen. Dann werde ich nicht wieder in das alte Hamsterrad geraten. Eine große Hilfe sind Rituale. Rituale schaffen eine heilige Zeit. Heilig ist die Zeit, die mir gehört, über die niemand verfügen kann. Da habe ich das Gefühl: Ich lebe selber, anstatt gelebt zu werden. Und das Ritual erinnert mich immer wieder an die Ruhe und Freiheit, die ich im Urlaub gespürt habe. Am Morgen kann ich den Tag segnen. Dann werde ich nicht von den Terminen erdrückt. Ich gehe in einen gesegneten Tag. Am Abend lasse ich alles los, was mich belastet hat, damit ich frei von der Last der Arbeit in meine Wohnung gehen kann. Rituale schließen die Tür der Arbeit, damit die Tür meines persönlichen Bereiches aufgehen kann. Dort genieße ich meinen Raum und lasse ihn nicht von den Problemen besetzen, die mich in der Arbeit beschäftigt haben.

Pater Anselm Grün
Mönch der Benediktinerabtei Münsterschwarzach und spiritueller Autor, Quelle: www.innehalten.de, In: Pfarrbriefservice.de

Innere Größe

Erholung (Shalom, Friede) ist keine äußere Größe – nicht, dass wir durch Beunruhigendes nicht angegriffen würden oder das Leben auf einmal ruhig und beschaulich geworden wäre. Shalom ist eine innere Größe. Vielleicht macht es sogar die innere Größe eines Menschen aus, dass er in den Unruhen der äußeren Dinge seinen Frieden bewahrt. So sagt das Prophetenwort: „Wer festen Herzens ist, dem bewahrst du Frieden (Shalom)“ (Jesaja 26,3). Wie erlernen und bewahren wir diese Festigkeit des Herzens? Jeder Morgen ist ein Angebot, es zu tun: Begrüße im Gebet die Verheißung des Tages, gehe in den Dialog mit Gottes Geist. Dann lies einen Text des Evangeliums, einen Psalm, um dich zu nähren und dich von deinem unsichtbaren Lehrer im Innern lehren zu lassen. Was lässt du dir zeigen? Was lässt du ruhig werden in dir, und was wird dich trösten? Und dann tritt ein in deine Würde und beginne den Tag. So ist der Glaube nicht zuerst ein Dogma, sondern eine Lebenspraxis, eine Kultur, die wir erlernen sollen.

Martin Schleske
Geigenbaumeister und Schriftsteller, Quelle: www.innehalten.de, In: Pfarrbriefservice.de

Unterbrechungen

Unsere Lebensaufgabe besteht darin, einander zu einem gesunden Lebens- und Arbeitsrhythmus zu ermutigen. Erholung und Entspannung sollen nicht nur im Urlaub möglich sein, sondern jeden Tag neu: „Jeder Tag der erste – jeder Tag ein Leben“, schreibt der zweite UNO-Generalsekretär Dag Hammarskjöld (1905 – 1961), der sich als politische Lichtgestalt immer wieder Nischen der Stille geschaffen hat. Wir können uns regelmäßig unterbrechen, um uns zu erinnern, dass wir mehr sind als Leistung und Erfolg, gesegnet vor allem Tun. Je mehr wir am Arbeitsplatz und in der Familie gefordert werden, desto mehr brauchen wir eine kreative Widerstandskraft, indem wir uns weigern, uns durch das Leben peitschen zu lassen. Stündlich einen Moment tief durchatmen, die Schulten lockern, die Hände reiben (Qi-Gong), sich schütteln heißen jene wohltuenden Entspannungsübungen, die mir Urlaubsoasen im Alltag schenken. Vertrauensvolle Oasen, die mich an die tiefere Verbundenheit mit allem erinnern.

Pierre Stutz
spiritueller Autor, www.pierrestutz.ch, Quelle: www.innehalten.de, In: Pfarrbriefservice.de

Erinnerungsstütze

Oft bringen wir für liebe Menschen ein Mitbringsel aus dem Urlaub mit, oder wir schreiben ihnen Postkarten mit den schönsten Bildern vom Urlaubsort. Wie wäre es, wenn wir dieses Mal auch an uns selbst denken? Vielleicht gibt es einen kleinen Gegenstand, der an einen besonderen Urlaubsmoment erinnert, oder eine Postkarte, ein Bild vom Lieblings-Urlaubs-Platz? Nutzen wir diesen Gegenstand, dieses Bild, als eine kleine Erinnerungsstütze an unseren Urlaub. Und denken wir im Alltag immer wieder ganz bewusst an den Moment der Erholung, der Freude, den wir mit unserem Mitbringsel oder unserem Bild verbinden. So wie Vinzenz von Paul es uns Schwestern empfiehlt, im Alltag, in der Arbeit, innezuhalten, auf Gott zu schauen und ihm unsere Zeit anzuvertrauen. Mit der ganz praktischen Erinnerung an unseren liebsten Urlaubsmoment mögen die Freude und die Erholung lange in unseren Alltag hineinwirken.

Schwester Josefa Maria Grießhaber
Wertebeauftragte der Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul, Quelle: www.innehalten.de, In: Pfarrbriefservice.de

Gottes-Spuren-Suche

Sie kommen nach dem Urlaub nach Hause – aufgetankt, mit neuen Kräften. Endlich wieder zur Besinnung gekommen – im doppelten Sinn des Wortes! Und mit guten Vorsätzen: sich nicht mehr so auszupowern, mehr auf sich zu achten, mehr Pausen und mehr Sport … Das Gefühl des Erholtseins soll möglichst lange anhalten! Für Ignatius von Loyola wäre der Unterschied zwischen Urlaubszeit und Arbeitszeit vermutlich nebensächlich. Er geht eine Ebene tiefer: Gott in allem suchen und finden. Im Urlaub und in stressigen Arbeitszeiten, allein oder in Begegnungen, eben bei allem. So heißt die Frage nach dem Urlaub eigentlich: Wie kann ich auch dann, wenn ich weniger Zeit und Muße habe, eine Weise finden, Gottes Spuren wahrzunehmen? Sind es die fünf Minuten am Abend an meiner Bettkante, in denen ich den Tag nochmal anschaue? Oder sind es die zehn Minuten morgens mit der Kaffeetasse, in denen ich mir die Tageslesung anschaue und ein Wort für den Tag finde? Oder … Dabei kann es hilfreich sein, gleichgesinnte Menschen zu finden und sich immer wieder auszutauschen, wie es mit dieser Gottes-Spuren-Suche geht.

Veronika Jodlbauer,
stellv. Sprecherin der Diözesan-Gemeinschaft Christlichen Lebens München und Freising, Quelle: www.innehalten.de, In: Pfarrbriefservice.de

Weitere Materialien

Was raten spirituelle Expertinnen und Experten?

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Für viele ist der Urlaub die schönste Zeit des Jahres – oder sollte es zumindest sein. Doch das Gedankenkarussell dreht sich oft weiter und es will einfach nicht gelingen, sich auf die freie Zeit einzulassen.

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