Schwarzer Peter

Kolumne: Zwischenmenschliches

Stellen Sie sich einmal folgende Situation vor: Da gehen zwei Feuerwehrleute los, um einen Waldbrand zu löschen. Nach einer Stunde haben sie es tatsächlich geschafft und kommen erschöpft aus dem rauchenden Chaos. Der eine ist vom Ruß völlig schwarz im Gesicht, der Kopf des anderen ist aus welchen Gründen auch immer sauber geblieben. Sie kommen beide an einen Fluss. Wer von den beiden wird sich wohl von selbst das Gesicht waschen? Der mit dem schmutzigen Gesicht? Nein, ich glaube, der ist es nicht. Ich denke, es ist eher der mit dem sauberen Gesicht, der es eigentlich gar nicht nötig hätte. Denn er sieht den Schmutz im Gesicht des anderen und schließt daraus, dass er genau so aussieht. Der mit dem schmutzigen Gesicht hingegen schaut in das saubere Gesicht seines Gegenübers wie in einen Spiegel und meint, dass er auch so sauber ausschaue und denkt natürlich nicht daran, sich von selber das Gesicht zu waschen.

„Du bist schuld!“

„Seltsam“, könnte man denken, das Ganze ist doch kein Thema. Die beiden müssten doch nur miteinander reden, und das Problem wäre gelöst. Das ist richtig! Aber was wäre, wenn die beiden nicht miteinander reden könnten oder nicht miteinander reden wollten? Wenn jeder auf seinem Standpunkt verharren würde? Ist das jetzt nur so eine seltsame Geschichte, oder beschreibt sie eher alltägliche Situationen? Ich denke an das Zusammenleben in Partnerschaft und Familie. „Du bist schuld“, sagt mein Partner oder meine Partnerin und sagt das so lange und so oft, bis ich mich tatsächlich schuldig fühle. Ein anderer hingegen ist sein Leben lang – so meint er wenigstens – „völlig ohne Schuld“, obwohl er es faustdick hinter den Ohren hat. Das ist dann der so genannte „blinde Fleck“, der meist schuld daran ist, dass wir uns dem Partner, der Partnerin gegenüber unsachlich, ungerecht, rechthaberisch und besserwisserisch verhalten.

Wie heißt es im Matthäus-Evangelium: „Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge und nimmst nicht wahr den Balken in deinem Auge? Oder wie kannst du sagen zu deinem Bruder: Halt, ich will dir den Splitter aus deinem Auge ziehen? Und siehe, ein Balken ist in deinem Auge. Du Heuchler, zieh zuerst den Balken aus deinem Auge; danach sieh zu, wie du den Splitter aus deines Bruders Auge ziehst.“ (Matth 7,3-5). So mancher Partnerschaft, die sich in gegenseitiger Schuldzuweisung auseinander gelebt hat, täte es sicher gut, sich einmal an eine neutrale Beratungsstelle zu wenden. Dort könnte ein Berater oder eine Beraterin ein Stück mehr Objektivität in die Beziehung einfließen lassen, um somit das gegenseitige hilfreiche Gespräch wieder in Gang zu bringen. Ansonsten spielt man nur noch das alte Spiel „Schwarzer Peter!“. Es bringt nicht weiter!

Stanislaus Klemm, Dipl. Psychologe und Theologe, In: Pfarrbriefservice.de

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Text: Stanislaus Klemm, Dipl. Psychologe und Theologe
In: Pfarrbriefservice.de