Religionsunterricht – ja oder nein?

Im Interview setzt sich Dr. Tobias Weismantel vom Deutschen Katecheten-Verein mit den Gegenargumenten auseinander

Religion ist in Deutschland laut Grundgesetz ordentliches Unterrichtsfach. Doch nicht alle Bürgerinnen und Bürger sind damit einverstanden. Dr. Tobias Weismantel, Geschäftsführer des Deutschen Katecheten-Vereins (dkv), nimmt im Interview Stellung zu den Argumenten gegen den Religionsunterricht.

Gegner des konfessionellen Religionsunterrichts an staatlichen Schulen vertreten die Ansicht, Religion sei Privatsache und habe an Schulen nichts verloren.

Tobias Weismantel: Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Gerade weil es Religionsunterricht an den Schulen gibt, garantiert der Staat dadurch die Religionsfreiheit, die es eben auch möglich macht, dass Religion Privatsache sein kann.

Das hört sich erst mal widersprüchlich an.

Tobias Weismantel: Verständlich wird es, wenn man sich klar macht, dass der Staat die sogenannten letzten Fragen, etwa nach Glück oder Tod, aus sich heraus nicht beantworten kann. Er muss neutral bleiben. Deshalb nimmt er die gesetzlich anerkannten Religionsgemeinschaften in die Pflicht, hier Orientierungsmöglichkeiten für die Kinder und Jugendlichen anzubieten, freilich unter seiner Aufsicht. Eine Schulbildung wäre nicht umfassend, wenn sie nicht auch diese Fragen zuließe.

Diese Fragen könnte man aber doch auch in einem Ethikunterricht behandeln im Sinne einer allgemeinen Wertebildung. Was kann ein Religionsunterricht, was ein Ethikunterricht nicht kann?

Tobias Weismantel: Der Religionsunterricht kann die Begründung für die Ethik liefern, ihr sozusagen den Maßstab mitgeben, der aus christlicher Sicht in der Menschenwürde und in der Achtung vor der Schöpfung liegt. Der Religionsunterricht bietet Antworten aus der Konfession heraus, die der Ethikunterricht nicht anbieten kann.

Gegner des Religionsunterrichts befürchten hier eine weltanschauliche Manipulation der Kinder und Jugendlichen.

Tobias Weismantel: Der Religionsunterricht ist konfessionell geprägt. Das heißt, sein Ziel ist es, auf dem Hintergrund einer bestimmten religiösen Anschauung Dinge darzulegen. Es geht aber nicht um Manipulation, sondern um das Ermöglichen einer bestimmten Perspektive, um das Eröffnen eines Horizonts. Erst, wenn ich mich als Angehöriger einer Religionsgemeinschaft mit deren Positionen auseinandersetze, kann ich dialogfähig werden für den Austausch mit anderen. Es ist explizit nicht Ziel des Religionsunterrichts, die Kinder in die Kirche zu bekommen. Das wäre ein falsches Verständnis. Es geht vielmehr darum, dass Kinder in Kontakt kommen mit ihrer Religion, dass sie Dinge lernen über ihre Religion, um aufgrund dessen mündig und tolerant zu werden.

Kritiker behaupten, im Fach Religion würden Meinungen als Wahrheit verkauft. Es gehe nicht um Erkenntnisse, sondern um Bekenntnisse. Deshalb sei das Fach als Unterrichtsfach abzulehnen.

Tobias Weismantel: Das kann man generell dem Glauben vorwerfen, dass hier Dinge behauptet werden, die objektiv nicht nachprüfbar sind. Aber im Fach Religion geht es ja um viel mehr als um Meinungen. Es geht um Orientierung für die persönliche Lebenseinstellung, um die Frage nach dem Glauben an sich, darum, wie ich bestimmte Dinge sehen kann. Und natürlich ist die Basis ein Bekenntnis, klar. Sonst bräuchte es ja keinen Religionsunterricht, der aber vom Grundgesetz ausdrücklich gewollt ist. Wenn ein Religionsunterricht nicht bekenntnisorientiert wäre, wäre er kein Religionsunterricht.

Interview: Elfriede Klauer, Pfarrbriefservice.de

Der Deutsche Katecheten-Verein (dkv) ist der mitgliederstärkste katholische Fachverband für religiöse Bildung und Erziehung in Deutschland. In seiner Kampagne „daRUm!“ setzt er sich u.a. mit provokanten Plakatmotiven für den Religionsunterricht ein: www.darum.info.

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Text: Elfriede Klauer
In: Pfarrbriefservice.de