"Ich möchte nach meinem Tod nicht mehr auferstehen"

Eine Entgegnung von Pater Medard Kehl SJ

[…] Ich möchte stattdessen auf eine andere Schwierigkeit eingehen, die mir neulich in einem Gespräch mit einem älteren, durchaus gläubigen Mann begegnet ist: „Ach, Herr Pater, ich kann mich gar nicht richtig auf die Auferstehung nach meinem Tod freuen oder wirklich darauf hoffen. Wissen Sie, ich werde von Jahr zu Jahr müder und erschöpfter. Ich möchte einfach meine Ruhe haben. Ich glaube schon an Gott; aber er soll doch so gnädig sein, und mich nach meinem Tod einfach ruhen, schlafen lassen und mich nicht mehr aufwecken. Ich möchte eigentlich dann nicht mehr aufstehen und auferstehen.“

Ich war zunächst etwas bestürzt über diese Aussage. Persönlich kann ich sie eigentlich gar nicht richtig nachempfinden. Vielleicht bin ich noch nicht alt und müde genug. Aber allein die Hoffnung, einmal das Angesicht des gütigen Vaters und das Angesicht Jesu Christi, dem ich durch mein ganzes Leben nachgefolgt bin, unverborgen zu sehen, aber auch meine verstorbenen Eltern und meinen Bruder, die vielen Verwandten und Freunde wiederzusehen und sich aneinander und miteinander an der Gegenwart Gottes, an seiner alle beglückenden Liebe zu erfreuen, – das gibt meinem Leben doch eine starke Vor-Freude, die mir die Angst vor dem Sterben weitgehend nimmt.

Vorstellungen vom Jenseits

Im Gespräch mit dem betreffenden Mann ging mir langsam auf, dass es ganz bestimmte alte Vorstellungen waren, die er mit der Auferstehung der Toten verband und deretwegen er sich nicht darauf freuen konnte. Vorstellungen, die in der jüdischen Apokalyptik zur Zeit Jesu üblich waren und sich auch im Neuen Testament finden: Als ob irgendwann in ferner Zukunft in einem großen Welttheater sich die Gräber öffnen und die Skelette aufstehen, sich mit einem neuen Leib bekleiden und so in den Himmel aufgenommen werden. Solche Vorstellungen gehören großenteils einem vergangenen Weltbild an; sie gehören nicht zum Kern unseres Glaubens an die Auferstehung der Toten.

Worin aber besteht dieser Kern? Er kommt für mich gut in dem deutschen Wort „Aufheben“ zum Ausdruck. Dieses Wort hat ja drei Bedeutungen:

1. Aufheben = Bewahren. Das erhoffe ich für uns nach unserem Tod: Von unserem Leben hier auf Erden wird all das im Leben Gottes bewahrt, was uns kostbar und wertvoll war, vor allem, was wir im Geist der Liebe und der Wahrhaftigkeit getan oder erlitten haben.

2. Aufheben = Außer-Kraft-Setzen (z. B. Gesetze oder Regeln). Bei den Verstorbenen setzt Gott all das außer Kraft, was dieses Leben hier oft so schwer macht: Unsere Schuld wird vergeben, Leid und Schmerz werden zu Ende sein und alle Tränen wird Gott von unseren Augen abwischen.

3. Aufheben = Hochheben. Die Verstorbenen, die in das Dunkel des Todes hinabgefallen und ganz unten, ganz am Ende sind, werden von Gott aufgehoben, aufgenommen in das wunderbar wärmende und bergende Licht der Liebe des dreifaltigen Gottes. Ein Licht, das uns mit unserem vergangenen Leben, mit seinen Konflikten, Mühseligkeiten und Enttäuschungen endlich versöhnt und so auch endlich zur Ruhe kommen lässt. Das aber ist keine Friedhofsruhe, kein ewiger Schlaf, sondern der Friede eines mit Gott und der Welt versöhnten Daseins.

Darauf kann man sich doch wirklich freuen, auch wenn man irgendwann alt und müde geworden sein sollte!

Heimat bei Gott

Zum Schluss möchte ich Ihnen ein paar Sätze aus dem Brief einer alten, 88-jährigen Ordensschwester vorlesen, mit der ich seit einigen Jahren gut befreundet bin. Sie schreibt: „Ich zähle meine Tage im frohen Bewusstsein, dass unsere Heimat bei Gott ist. Ich gehe hier meinen Weg weiter und halte die Sehnsucht wach – in Dank und Freude. Gern singe ich dann zuweilen ein Lied, das diese Freude und Liebe zum Ausdruck bringt, besonders dann, wenn das Beten schwerfällt und so armselig ist.“

Medard Kehl SJ, www.sankt-georgen.de
Über die Auferstehung der Toten, Predigt zum 32. Sonntag im Jahreskreis C am 11. November 2007

Der Link zum vollständigen Text: http://www.sankt-georgen.de/kehl/pdf/Predigten/Kehl_Predigt_Ueber_die_Auferstehung_der_Toten.pdf

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Das Schwerpunktthema für April 2013

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Text: Pater Medard Kehl SJ
In: Pfarrbriefservice.de