Größer denken

Wenn man nur auf das Erwartbare hofft, ist kein Platz für Großes

"Darf es auch ein bisschen mehr sein?" - Die Frage hat mir als Kind beim Einkaufen so gut gefallen. Ich fand sie so fein! Aber dieses "feine bisschen Mehr" ist heute ziemlich out. Wenn schon, dann bitte XXL - egal, ob es um Flachbildschirme oder das Riesenschnitzel auf dem Teller geht.

Wenn es allerdings darum geht, was Menschen vom Leben erwarten, dann ist nichts mit XXL. Da erlebe ich oft einen ziemlichen Kleinmut, von wegen: "Das Leben ist kein Wunschkonzert". Klar, die Zeiten sind für viele nicht rosig. Wer gerade die Arbeit verloren hat oder mit einer schweren Krankheit kämpft, erlebt das sehr bitter: Wünschen und Hoffen allein reichen nicht!

Trotzdem glaube ich: Wenn ich nur auf das hoffe, womit ich rechnen kann, dann ist kein Platz für Großes, Unerwartetes, gar für Träume. Und damit will ich mich nicht begnügen.

Ich will - um es etwas pathetisch zu sagen: Größer denken und hoffen! Ich will mehr, als ich auf den ersten Blick sehen oder machen kann, auch wenn viele das naiv finden. Das müssen nicht gleich die großen Heldentaten sein – es ist ja nicht jeder Mutter Teresa oder Martin Luther King. Schon, wenn ich mich nur ein bisschen über den eigenen Tellerrand hinauswage, kann ich entdecken: Es geht mehr als ich zuerst gedacht habe!

Das hab ich neulich auf der Autobahn erlebt - zum ersten Mal im Leben hatte mein Auto einen Platten! Ich konnte am Rand halten, es war also nicht schlimm, aber im Regen im Berufsverkehr? Bis irgendjemand zu Hilfe kommt, das würde dauern. Und dann ging es in mir los: Oh Gott, Reifen wechseln, das hab ich noch nie gemacht, wie soll ich das können? Was, wenn das Auto vom Wagenheber rutscht? Aber - vielleicht bekomme ich es ja doch hin? Und irgendwie gab es in mir dann so ein Zutrauen: Komm, trau dich, versuch es wenigstens! Und ich hab es tatsächlich geschafft! Als ich zuhause ankam, hatte ich das Gefühl: Ich bin ein paar Zentimeter gewachsen!

Ein anderes Beispiel fürs größer Denken hab ich im Rheingau entdeckt: In einem kleinen Ort sollte das letzte Kino der Gegend geschlossen werden - einfach nicht mehr rentabel. Das Vincenzstift, eine Behinderteneinrichtung dort, bekam davon Wind. Sie hatten den Traum: Das könnten wir doch übernehmen! Viele Unterstützer wurden gefunden - und der Laden brummt! Die Kinofans im Rheingau sind glücklich. Und es gibt das erste integrative Kino in Deutschland, in dem Menschen mit und ohne Behinderung zusammenarbeiten!

Wirklich ermutigend ist für mich auch eine Bekannte, deren Sohn einen schweren Motorradunfall hatte. Ohne Rollstuhl ging gar nichts mehr. Sie hat immer daran geglaubt: Eines Tages wird er wieder laufen können. Mit unendlicher Energie und Geduld haben sie es gemeinsam geschafft - er kann wieder erste eigene Schritte setzen.

Solche Beispiele bestärken mich darin, größer zu denken und zu hoffen: Für mich, für andere, für unsere Welt. Natürlich weiß ich - damit kann ich nicht einfach alle Probleme aus der Welt schaffen, das erlebe ich ja selber. Trotzdem: Ich glaube, es lohnt, denn oft geht doch viel mehr, als ich zunächst gedacht habe, und das zieht Kreise!

Woher kommt die Kraft dazu? Manche nennen das vielleicht positives Denken oder Selbstvertrauen. Ich erlebe das als eine Kraft, die mir irgendwie zukommt, ich glaube von Gott. Gott sagt ja zu mir und traut mir viel mehr zu als ich selber! Immer wieder macht Gott das Angebot: Komm, trau dich, versuch es, ich steh dir zur Seite! Bei diesem Zutrauen Gottes können wir uns bedienen – und da darf es ruhig auch ein bisschen mehr sein: am besten eine Portion in Größe XXL!

Verena Maria Kitz, Wort zum Sonntag vom 21.01.2012, www.daserste.de/wort

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Das Schwerpunktthema für Februar 2013

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Text: Verena Maria Kitz
In: Pfarrbriefservice.de