Geschwisterliebe oder Von behinderten Menschen lernen

Mein Wunsch ist es, dass viele Menschen eine positive Meinung über behinderte Menschen erlangen. Es erstaunt mich, dass immer noch so viele Menschen teilweise ängstlich und verunsichert gegenüber behinderten Menschen sind.

Mein Bruder

Ich habe einen spastisch behinderten Bruder, im Alter von 25 Jahren. Sein Name ist Björn Stommel. Einige von Ihnen kennen ihn gewiss aus seinem Buch „Ein Lächeln vielleicht“. Ich bin seine Schwester und 23 Jahre alt. In meinen Augen war mein Bruder immer normal. Als Kind habe ich nie darüber nachgedacht, warum er nicht laufen kann. Für mich ist er in erster Linie mein Bruder, wie das bei allen anderen Geschwistern auch der Fall ist.

Zoff zwischen Geschwistern

Es war mir zwar stets bewusst, dass wenn wir uns gestritten haben, er den Kürzeren zog. Manche von Ihnen werden jetzt vielleicht denken: „Der arme Junge, er kann sich doch nicht wehren“, aber er kann sich wehren, wenn auch auf eine andere Weise wie ich. Wenn er sauer auf mich war, hat er mit seinem Elektro-Rolli mein Fahrrad umgefahren. Zwischen Geschwistern gibt es schon mal Zoff, das war bei uns nicht anders.

Bloß kein Mitleid

Mitleid mag Björn überhaupt nicht. Wie ich festgestellt habe, mögen die wenigsten behinderten Menschen, wenn man sie bemitleidet. Viel lieber ist es ihnen, wenn man sie genauso behandelt wie andere Menschen auch. Björn fragt sich: „Wofür bemitleidet ihr mich, ich bin doch glücklich, seht ihr nicht, wie ich lache?“ Björn lacht oft und gerne.

Besondere Menschen

Viele Menschen denken, dass es schlimm ist behindert zu sein. Ich habe erfahren dürfen, dass es besondere Menschen sind, die trotz ihrer Umstände sehr glücklich sind und teilweise ein großes Wissen in sich tragen. Sie sind mit vielen Dingen zufrieden, die unsereiner nicht einmal beachtet. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass eine Einschränkung in körperlicher Hinsicht eine Weiterentwicklung in anderen Dingen zur Folge hat. Ein blinder Mensch z.B. widmet sich viel mehr den Tönen und Klängen von Lauten, so dass er Klänge hört, die wir gar nicht wahrnehmen, weil wir viel zu oberflächlich hinhören. Er kann an der Stimme erkennen, ob ein Mensch glücklich oder traurig ist. Wir stellen das oft mit Augen und Ohren nicht fest.

Seit vier Jahren betreue ich ein behindertes Mädchen. Ihr Name ist Cigdem und sie ist 18 Jahre alt. Manchmal fragt sie mich, ob es mir nicht gut geht. Ich schüttele dann meinen Kopf, weil ich es vielleicht schon verdrängt habe. Sie glaubt mir dann nicht und so finde ich in ihr an manchen Tagen den Menschen, der mich besser kennt, als ich mich selbst.

Von behinderten Menschen lernen

Ein Leben ohne meinen Bruder Björn kann und möchte ich mir nicht vorstellen. Er gehört zu meinem Leben, wie die Luft zum Atmen. Mir persönlich ist es sehr wichtig, dass man sich mit behinderten Menschen auseinandersetzt. Wir können viel von ihnen lernen, nicht nur sie von uns! Sie sind ein kostbarer Teil unserer Gesellschaft.

Sandra Stommel aus: In mir ist Freude. 288 Seiten, 80 Farbfotos, ISBN-Nummer: 978-3-9810623-0-4,

16,90 Euro. Ab Juni 2007 im Buchhandel zu erwerben oder direkt zu bestellen bei: Doris-Verlag, Doris Stommel-Hesseler, Mittelsaurenbach 3, 53809 Ruppichteroth, Tel. und Fax: 02295/903658, E-mail-Adresse: DoSto-He@t-online.de.

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Das Schwerpunktthema für August 2007

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Text: Sandra Stommel
In: Pfarrbriefservice.de