„Gemeinsam zum Salz der Erde werden“

Ein Interview mit Prof. Dr. Thomas Sternberg zum Motto des 3. Ökumenischen Kirchentages

„Schaut hin“ lautet das Motto des 3. Ökumenischen Kirchentages im Mai 2021. Corona hat die Planungen und Vorbereitungen gehörig durcheinander gewirbelt. Vieles muss digital stattfinden. Damit vom Kirchentag dennoch Impulse ausgehen, hofft Prof. Dr. Thomas Sternberg auf die Mitarbeit vieler Gemeinden. Er ist Präsident des Kirchentages und Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. Warum das Motto für ihn auch in Corona-Zeiten stimmt und was er sich vom digitalen Format erhofft, dazu ein Interview mit ihm.

Das Motto „schaut hin“ ist zu einer Zeit gewählt worden, als Corona noch keine Rolle spielte. Würden Sie es unter den Veränderungen, die Corona mit sich bringt, wieder wählen?

Thomas Sternberg: Ja, ich würde es wieder wählen. Ich habe den Eindruck, diese Aufforderung, genau hinzuschauen, ist in der Zeit der Pandemie fast noch wichtiger geworden. Denn vieles von dem, was wir vorher als normal und gewöhnlich angesehen haben, ist plötzlich anders. Es gibt neue Probleme, es gibt Sorgen und Ängste, die es vorher nicht gab. Es ist auch eine Frage, was sich in der Haltung der Gläubigen zu ihrem Glauben verändert hat. Da genau hinzuschauen, das halte ich für eine sehr aktuelle Fragestellung.

Wie verstehen Sie das Motto „schaut hin“ in dieser von Corona geprägten Zeit?

Thomas Sternberg: Ich glaube, es gibt einen doppelten Sinn. Einmal ist es dieses Schaut-hin im Blick darauf, was in unserer Umgebung da ist, wo es Sorgen und Probleme gibt, aber auch wo es Hoffnungszeichen gibt, unerwartete Kreativität oder Hilfsbereitschaft von Menschen, von denen man das nicht erwartet hätte. Und dann braucht es das Hinschauen in einem weiteren Sinne. In den Evangelien fordert Jesus seine Jünger immer wieder zum genauen Hinsehen auf. Dieses Seht-hin, „Kommt und seht!“ (Joh 1,39) bleibt eine ständige Fragestellung bis zu dem Satz des Auferstandenen an den zweifelnden Thomas: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“ (Joh 20,29). Bei der Himmelfahrt Christi sagen die Engel zu den Jüngern: „Was steht ihr da und schaut zum Himmel empor?“ (Apg 1,11) Vielleicht ist es eben so, dass dieser Versuch, in den Himmel zu blicken, gar nicht der richtige Zugang ist, sondern eher – und damit bin ich wieder beim Ausgang – das Hinsehen auf die Bereiche, wo unser Dienst gefragt ist.

Manche Kritiker werden entgegnen: Was hilft das Drüberreden auf einer Veranstaltung wie dem Ökumenischen Kirchentag. Dadurch ändert sich nichts. Was sagen Sie denen?

Thomas Sternberg: Also, zunächst einmal geht das Wort der Tat immer voraus. Insofern sind Worte nicht überflüssig. Aber es stimmt natürlich. Wichtig ist die Tat. Aber wenn man etwas planlos tut und nicht erst genau hinsieht, was ist, dann wird das Handeln das Gegenteil von dem bewirken, was man eigentlich wollte. Insofern ist das Darüber-Reden nicht nutzlos, sondern es ist die Vorbereitung für ein sinnvolles Handeln. Natürlich nicht im Sinne eines bloßen Drüberredens, sondern im Sinne einer Unterscheidung und einer genauen Wahrnehmung.

Der ÖKT wird weitgehend digital stattfinden. Was wünschen Sie sich für dieses neue Format im Hinblick auf das Motto?

Thomas Sternberg: Ich wünsche mir, dass möglichst viele Gemeinden die Impulse dieses Kirchentages aufgreifen, und wenn sie denn nicht nach Frankfurt fahren können, sie ihn dennoch vor Ort miterleben können. Ich meine jetzt nicht, dass man nur vor einem Bildschirm sitzt, gemeinsam oder alleine. Es kann z.B. auch bedeuten, dass man sich ein paar Veranstaltungen an dem Samstag heraussucht, sie gemeinsam ansieht und dann die Diskussionen vor Ort selber weiterführt, vielleicht auch mit Fachleuten aus der eigenen Umgebung. Es kann bedeuten, dass man ökumenisch gemeinsam Gespräche führt und vor allem dass man Gottesdienste miteinander feiert, ökumenisch oder die jeweils andere Konfession einladend. Vonseiten des Kirchentages wird es hier auch Vorschläge und Hilfen für die Gemeinden geben. Es soll deutlich werden, dass wir in unserem Weltauftrag als Konfession nicht mehr alleine stehen, sondern dass wir als Christgläubige gefragt sind und dass wir uns gemeinsam unterhaken und zum Salz der Erde werden.

Das neue Format könnte also auch eine Chance sein, weiter in die Fläche zu wirken?

Thomas Sternberg: Wir haben uns das digitale Format nicht gewünscht. Vieles von dem, was einen Kirchentag ausmacht – die Begegnungen, das gemeinsame Singen und Feiern in großer Gemeinschaft, die Vielfalt – das wird alles wegfallen müssen. Insofern ist das ein ganz anderer Kirchentag. Aber es kann ein Impuls sein dafür, wie man dezentral und digital ganz andere Reichweiten erzielen kann. Wir wollen nicht auf den Verlust schauen, sondern auf die Möglichkeiten. Wir wollen Neues und Ungewohntes ausprobieren. Vielleicht erreichen wir damit auch ganz andere Gruppen von Menschen. Ich würde mich sehr freuen, wenn sich viele Gemeinden in diesem Sinne vor Ort engagieren für den „ÖKT – digital und dezentral“.

Interview: Elfriede Klauer, In: Pfarrbriefservice.de

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Text: Elfriede Klauer
In: Pfarrbriefservice.de