„Einfach nur zuhören“

Kolumne: Zwischenmenschliches

Der Aphoristiker Ernst Ferstl bringt ein bestimmtes Problem genau auf den Punkt, wenn er fragt: „Wie sagt man eigentlich jemandem, der nicht zuhören kann, dass er nicht zuhören kann?“ 

In der Beratungsarbeit kommt es nicht selten vor, dass sich die Ratsuchenden für den Gesprächskontakt ganz herzlich bedanken. Aber nicht etwa wegen des guten Ratschlags, der klugen Worte oder einer befreienden Sicht der Dinge. Sie sagen einfach: „Es hat mir so richtig gutgetan, dass mir jemand einfach einmal zugehört hat. Danke!“ Dieses „einfach nur zuhören“ ist alles andere als „einfach“; es ist in der Tat etwas äußerst Schwieriges, was man richtig lernen muss; es ist etwas Kostbares, was einem geschenkt wird. 

In unserem Alltag können wir immer wieder erfahren, dass manch ein Gegenüber uns permanent zu verstehen gibt: „Ich höre Dir überhaupt nicht zu!“ – wir reden schlichtweg gegen eine Wand. Aber wir machen auch die andere Erfahrung, dass der andere uns so aufmerksam zuhört und antwortet, sodass wir sagen müssen: „Besser hätte ich es nicht sagen können!“ Zuhören ist bei weitem mehr und wesentlich schwieriger als einfach nur „hören“. Zuhören heißt: hinhören, innewerden, den, dem man zuhört, annehmen, gelten lassen, jemanden ernst nehmen. Ein Mensch, der zuhören kann, der hat so etwas wie „Seltenheitswert“. 

Eine Geste des Herzens

Es gibt eine Lebensweisheit aus der Mandschurei, die besagt: „Wer es im Leben weit bringen will, muss zwei Dinge beherrschen: lachen und zuhören können.“ Wer gut zuhören kann, der erspart sich so viele Worte. Je weniger wir zuhören, desto mehr wird geredet. Hören ist nur ein akustischer Vorgang, Zuhören ist eher eine Geste des Herzens. Zuhören bedeutet Anteil nehmen, im wörtlichen Sinn: Ich nehme, die Teile, die (mir) mitgeteilt worden sind, an. Anteilnehmen geschieht, wenn echtes Interesse vorhanden ist und das Herz sich dem Redenden zuwendet. Wer gut zuhören kann, ist auch bereit, sich im Interesse seines Gegenübers auch mit Engagement einmal „umzuhören“, ihm zu helfen. 

Derjenige, der es versteht, gut zuzuhören, hört genau, was der andere ihm mitteilen möchte. Er achtet nicht nur auf seine Worte, er versucht auch herauszufinden, was ihn im Inneren seiner Seele, seines Herzens bewegt, was ihn erfreut, was ihn quält, was ihn ängstigt; er versucht, seine Wünsche und Hoffnungen herauszufinden und anzusprechen. Hier wird bereits deutlich, dass Hören zwar ein Vorgang ist, an dem unsere Ohren teilnehmen, aber im Zuhören wendet sich meine ganze Person, meine ganze Körperhaltung dem Redenden zu. Diese Haltung des „Zuhörens“ wird für unser Gegenüber eine Erfahrung, nicht allein zu sein, sondern begleitet und verstanden zu werden. Im Zuhören wird ein „Dazugehören“ erschaffen, ein Gefühl, das von so manchen Ängsten befreien kann, weil es nämlich Einsamkeit überwindet.

Stanislaus Klemm, Dipl. Psychologe und Theologe, In: Pfarrbriefservice.de

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Stanislaus Klemm, Diplompsychologe und Theologe

Stanislaus Klemm, Jahrgang 1943, ist Diplompsychologe und Theologe. Er arbeitete in der Suchttherapie, in der ökumenischen Telefonseelsorge Saar sowie in der Lebensberatung des Bistums Trier in Neunkirchen. Er ist Autor verschiedener Bücher. 

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Text: Stanislaus Klemm, Dipl. Psychologe und Theologe
In: Pfarrbriefservice.de