„… damit sie eins sind wie wir“

Gedanken zum Reformationstag

„Nun muss zusammenwachsen, was zusammengehört“, rief Willy Brandt am 10. November 1989 am endlich wieder geöffneten Brandenburger Tor in Berlin aus. Dies wäre auch ein gutes Motto für den Reformationstag. „Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt!“ Ist diese geschmacklose Beleidigung der Barmherzigkeit Gottes nur eine abgedroschene Klamotte aus dunkler Zeit? Nur die bedauerliche Entgleisung eines Einzelnen, der unverschämt erfolgreiche Werbeslogan eines übereifrigen Ablasspredigers? Vielleicht war es ja nur der berühmte Tropfen, der an jenem 31. Oktober 1517 das Fass zum Überlaufen brachte. Der Augustiner-Eremit Martin Luther wurde zu einer empfindlichen Nervenfaser, die den großen Schmerz bis unter die klerikale Haut seiner Kirche leitete.

Hoffnungsvolle Neuanfänge – unheilvolle Kirchenspaltung

Diese hatte der Theologie und Seelsorge weitgehend den Rücken zugewandt. Bis in die oberste Spitze hinein war sie schon zu sehr verstrickt in der politischen Macht-, Genuss- und Kunstszene. Sie drohte aufzugehen im „weltlichen“ Gefühl der Renaissance. Christliche Wahrheit ruhte in wenigen Köpfen „Wissender“. Die Reformation leitete grundsätzlich eine Wende ein, es kam zu grundlegenden und hoffnungsvollen Neuanfängen. Dennoch kam es aber auch zu einer sehr unheilvollen Kirchenspaltung mit gegenseitigen Verunglimpfungen und Verletzungen. Wenn es noch in der Apostelgeschichte hieß „die Gemeinde der Gläubigen war ein Herz und eine Seele.“ (Apg 4,32), so beschwört bereits der Heilige Paulus die Christen: „Ich ermahne euch aber, Brüder, im Namen Jesu Christi, unseres Herrn: Seid alle einmütig und duldet keine Spaltungen unter euch!“ (1 Kor 1,10).

Seit dieser Großen Reformation im 16. Jahrhundert leben nicht nur in Deutschland, sondern in aller Welt katholische und evangelische Christen immer noch getrennt voneinander. Aber beide Kirchen tragen das schmerzliche Andenken an Christi Abschiedswort im Herzen: „Heiliger Vater, bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins sind wie wir!“ (Joh 17,11).

Sehnsucht nach einem „Christenhaus“

Wenn in dem Begriff „Ökumene“ das griechische Wort „oikos“ steckt, eine Bezeichnung für „Haus“, so wäre auch für alle christlichen Kirchen endlich eine ähnliche gemeinsame Hausgemeinschaft, ein gemeinsames Haus, eine schützende und wärmende Heimat mehr als wünschenswert. Wenn wir auch heute noch nicht wissen, wie ein solches neues „Gebäude“, ein „Christenhaus“, ganz konkret aussehen könnte, so dürfen wir dennoch darauf vertrauen, dass Gottes heilender Geist die „Baupläne“ dazu liefern wird. Vielleicht wird es eine geduldige und liebevolle Restaurierung des alten „Elternhauses“ sein, vielleicht wird es aber auch ein ganz neuer und wagemutiger Neubau werden. Dem deutschen Reformator Martin Luther würde somit auch ein Herzenswunsch erfüllt werden, weil er immer schon von solch einem „Dach“ träumte, als er sagte: „Barmherzigkeit Gottes ist wie der Himmel. Unter diesem Dach sind wir sicher.“

Stanislaus Klemm, In: Pfarrbriefservice.de

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Text: Stanislaus Klemm
In: Pfarrbriefservice.de