Wie ist die Rechtslage in Deutschland bezüglich Sterbehilfe und Suizid?

Der Rechtswissenschaftler Arthur Kreuzer nennt in einer Stellungnahme für das Bundesgesundheitsministerium fünf Grundsätze:

1. Die Selbsttötung ist straflos. Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil vom 26. Februar 2020 sogar ein Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben hervorgehoben. Dieses ergebe sich aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Grundgesetzes. „Die Entscheidung, das eigene Leben zu beenden, ist von existentieller Bedeutung für die Persönlichkeit eines Menschen“, heißt es im Urteil.

2. Die Beihilfe zum Suizid ist straflos. Strafbare Beihilfe setzt eine strafbare Haupttat voraus, der Suizid ist aber keine Straftat. Deshalb wird auch die Beihilfe nicht bestraft. Diesen Grundsatz hatte der 2015 geschaffene § 217 des Strafgesetzbuches eingeschränkt. Nach diesem war die geschäftsmäßige Förderung der Suizidbeihilfe untersagt. Geschäftsmäßig meinte dabei nicht eine Gewinnerzielungsabsicht, sondern ein wiederholtes Tun, etwa durch Vereine oder Ärzte. Das Bundesverfassungsgericht erklärte diese Bestimmung im Februar 2020 als verfassungswidrig. Der Grundrechtsschutz erstrecke sich „auch auf die Freiheit, hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen und sie, soweit sie angeboten wird, in Anspruch zu nehmen“, urteilte das Gericht. Doch dürfe niemand verpflichtet werden, Suizidhilfe zu leisten.

3. Die aktive Sterbehilfe ist strafbar. Der § 216 des Strafgesetzbuches versteht darunter die sogenannte Tötung auf Verlangen. Keiner darf dem Sterbewilligen das tödliche Mittel verabreichen.

4. Die passive Sterbehilfe ist straffrei. Passive Sterbehilfe meint das Unterlassen oder Beenden von lebensverlängernden Maßnahmen und Behandlungen, also das Zulassen eines begonnenen Sterbeprozesses. Sie ist legal, wenn es eine entsprechende Willensäußerung des Betroffenen oder eine Patientenverfügung gibt.

5. Die indirekte Sterbehilfe ist straffrei. Indirekte Sterbehilfe ist die Leidenslinderung bei Schwerkranken unter Inkaufnahme der Lebensverkürzung. Da die Schmerzbehandlung das Ziel ist und nicht der frühere Tod, ist das Handeln der beteiligten Ärzte rechtmäßig.

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von Februar 2020 muss die Beihilfe zur Selbsttötung neu geregelt werden. Zwei Gesetzesentwürfe fraktionsübergreifender Gruppen fanden im Bundestag Anfang Juli 2023 keine Mehrheit. Somit bleibt die Beihilfe zum Suizid in Deutschland vorerst ungeregelt. Der Bundestag sprach sich zugleich mit großer Mehrheit für ein Gesetz zur Suizidprävention aus. Der Antrag fordert die Bundesregierung auf, 2024 einen entsprechenden Regelungsentwurf vorzulegen. Dieser solle unter Einbeziehung etwa der Telefonseelsorge oder sozialpsychiatrischer Dienste einen bundesweiten Suizidpräventionsdienst ermöglichen.

Elfriede Klauer (Stand: 07.07.2023), In: Pfarrbriefservice.de

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Text: Elfriede Klauer
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