Suizidbeihilfe bleibt vorerst ungeregelt

Bundestag lehnt Gesetzesentwürfe ab und fordert ein Gesetz zur Suizidprävention

Die Beihilfe zum Suizid bleibt in Deutschland weiterhin rechtlich uneindeutig. Beide dazu vorliegenden Gesetzesentwürfe fanden in der Beratung am 6. Juli 2023 im Bundestag keine Mehrheit. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing bedauerte, dass auch der konservativere der beiden Entwürfe scheiterte.

Der Bundestag sprach sich zugleich mit großer Mehrheit für ein Gesetz zur Suizidprävention aus: 688 von 693 Abgeordneten stimmten für einen entsprechenden Antrag von zwei Gruppen von Abgeordneten aus verschiedenen Fraktionen. Der Antrag fordert die Bundesregierung auf, im kommenden Jahr einen entsprechenden Regelungsentwurf und eine Strategie für die Suizidprävention vorzulegen. Die Regelung solle unter Einbeziehung etwa der Telefonseelsorge oder sozialpsychiatrischer Dienste einen bundesweiten Suizidpräventionsdienst etablieren.

Das Kernthema der Beihilfe zum Suizid allerdings werden die Abgeordneten in den kommenden Monaten und Jahren vertiefen müssen, bis ein Gesetzesentwurf eine Mehrheit findet: 2020 hatte das Bundesverfassungsgericht ein Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben etabliert, unabhängig von Alter, Krankheit oder individueller Begründung.

Beihilfe zum Suizid ist in Deutschland rechtlich nicht genau geregelt. Die Gesetzesentwürfe von zwei Abgeordnetengruppen aus verschiedenen Fraktionen wollten genauer festlegen, wer unter welchen Umständen ein tödliches Mittel verschrieben bekommen darf. Anliegen war es auch, vulnerable Gruppen vor Missbrauch schützen.

Bischöfe: Suizidbeihilfe darf nicht ungeregelt bleiben

Die Deutsche Bischofskonferenz, die Caritas und das Zentralkomitee der Katholiken hatten sich zuvor grundsätzlich für eine juristische Regelung der Suizidassistenz ausgesprochen. Das Anliegen des Lebensschutzes sahen sie besser aufgehoben bei dem konservativeren der beiden Entwürfe, den 85 Abgeordnete rund um den SPD-Politiker Lars Castellucci erarbeitet hatten. Er bedaure, dass der Entwurf keine Mehrheit im Parlament fand, so der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, in einer Stellungnahme vom Donnerstag. Die darin vorgesehene Regelung hätte „dazu beitragen können, dass der assistierte Suizid in Deutschland nicht zur gesellschaftlichen Normalität am Lebensende wird“.

Beihilfe zum Suizid betreffe „potenziell alle Menschen in existenzieller Weise“ und dürfe „nicht ungeregelt bleiben“. Abermals warb Bätzing dafür, „niedrigschwellige Angebote zur Suizidprävention durch ein entsprechendes Suizidpräventionsgesetz signifikant auszubauen“.

Suizidbeihilfe ermöglichen, aber nicht fördern

Der Castellucci-Entwurf sah vor, dass Suizidbeihilfe strafbar bleibt, unter bestimmten Voraussetzungen aber erlaubt wird. Dafür sollte die Person, die Sterbehilfe in Anspruch nehmen will, volljährig sein, sich mindestens zwei Mal von einem Facharzt für Psychiatrie untersuchen lassen und ein Beratungsgespräch absolvieren. Castellucci warb am Donnerstag im Bundestag dafür, den begleiteten Suizid zu „ermöglichen“, aber nicht zu „fördern“, und sprach sich für eine bessere Suizidprävention aus: „Das Geld, das jetzt für Suizidberatungsstellen vorgesehen ist: Lassen Sie uns das in die Suizidprävention investieren.“ Er mache sich Sorgen um jene, die fragen, ob ihr Leben noch etwas wert sei, so Castellucci. „Solche Fragen müssen Menschen mit sich selbst ausmachen. Aber wir als Gesellschaft sollten ihnen zurufen: Ja, dein Leben ist etwas wert. Jedes Leben in diesem Land ist wertvoll.“

Grüne: Suizidbeihilfe nicht kriminalisieren

Die Grünen-Abgeordnete Renate Künast, die hinter dem liberaleren der beiden Gesetzesvorschläge steht, wandte sich energisch dagegen, Suizidbeihilfe zu kriminalisieren. „Der Staat hat nicht nur eine Aufgabe, Leben zu schützen. Das hat auch eine Grenze, weil es eben das Grundrecht ist, selber gehen zu können“, argumentierte die Politikerin.

FDP: Schnelle Lösungen für Sterbewillige

Die FDP-Abgeordnete Katrin Helling-Plahr forderte „eine rechtssichere Lösung“ und vor allem ein schnelles Verfahren für Sterbewillige, die man „nicht schon wieder alleine lassen“ wolle: „Deshalb brauchen wir Strukturen, die für jeden Menschen sofort zugänglich sind, ohne monatelange Wartezeiten auf Facharzttermine.“

Die Abgeordnete der rechtsgerichteten AfD, Beatrix von Storch, äußerte grundsätzliche Kritik an beiden Gesetzesvorhaben sowie auch am Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2020: „Den Suizid zu einem Akt persönlicher Autonomie zu erklären, führt uns nach meiner festen Überzeugung auf einen entsetzlichen, tödlichen Pfad“. Von Storch verwies auf die Niederlande, die die Sterbehilfe vor einigen Jahren legalisierten. 2021 seien dort bereits 4,5 Prozent aller Sterbefälle auf assistierten Suizid zurückgegangen, und dabei werde es nicht bleiben. Sie frage sich, was in Deutschland die Folge sein werde, „wenn es angesichts der Krise in der Pflege und der Gesundheitsvorsorge einfacher sein wird, eine wohnortnahe, ergebnisoffene Suizidberatung zu bekommen als einen Pflege- oder Therapieplatz?“

Kritik an den beiden Gesetzesvorschlägen hatte auch die Ärztekammer geäußert. Sie verwies auf eine aus ihrer Sicht unzureichende Suizidprävention und beanstandete eine übereilte Regelung bei der Suizidbeihilfe.

Gudrun Sailer (6. Juli 2023), www.vaticannews.va/de, In: Pfarrbriefservice.de

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Text: Gudrun Sailer (6. Juli 2023), www.vaticannews.va/de
In: Pfarrbriefservice.de