Der "Winter" als heiße Trockenzeit: Alles lechzt nach Regen

Eine Deutsche in Afrika (3)

Ich lebe zum ersten Mal in einer Region, in der der Jahreskreis nicht durch Frühling, Sommer, Herbst und Winter bestimmt wird. Hier in Moroto verläuft der Jahreskreis anders. Die Stadt liegt nur rund 275 Kilometer nördlich vom Äquator, was bedeutet: Die Tage sind hier das ganze Jahr über 12 Stunden lang, 365 Tage im Jahr steht die Sonne zur Mittagszeit im Zenit, und anstatt der vier Jahreszeiten gibt es nur die Regenzeit und die Trockenzeit. Ich, als Deutsche, die mit dem Sommer Sonne und Hitze verbindet, dachte immer, dass die Trockenzeit unserem europäischen Sommer entspricht. Mit der Regenzeit verband ich den Winter, weil ich Regen und Nässe mit unserem nassen Herbst und matschigen Winter assoziiere. Hier wurde ich jedoch eines Besseren belehrt.

Ab Oktober regnete es immer seltener und im November das letzte Mal. Im Dezember wurden dann die Dämme langsam leer, da kein Regen sie wieder auffüllte. Die Dämme und Teiche werden genutzt, um die Tiere mit Wasser zu versorgen, jedoch in dieser Zeit müssen die Tiere lange Durststrecken erleiden. Hier in der Region Karamoja leben viele Menschen als „Pastoralisten“ (Hirten), die mit ihrem Vieh umherziehen, um geeignete Weiden zum Grasen zu finden. Kühe, Ziegen und auch Schafe spielen im Lebensalltag der Karamojong eine sehr große Rolle. Zum Beispiel wird der Brautpreis mit Tieren gezahlt, ihr Fleisch, Blut und die Milch werden zur Ernährung genutzt, und die Tiere sind allgemein eine Art Lebensversicherung, Altersvorsorge oder Sparguthaben. Sodass man sagen kann, wenn es den Tieren hier gut geht, geht es auch den Menschen gut.

Wenn die Dämme leer sind, werden die Brunnen genutzt, um die Tiertränken am Brunnen aufzufüllen und die Tiere mit Wasser zu versorgen. Dies stellt eine zusätzliche Belastung für die Wasserpumpen dar, sodass in dieser Zeit auch einige Pumpen kaputtgehen. Zum Glück gibt es in den Gemeinden Mechaniker, die von Hilfsorganisationen ausgebildet wurden und die Wasserpumpen reparieren können.

Nun warte ich mit den Menschen und ihren Tieren seit Dezember auf die ersehnte Regenzeit. Vor zwei Wochen gab es erste Schauer – und die Natur veränderte sich: Vögel begannen zu zwitschern, es gab mehr Moskitos und andere Insekten, der Baum vor meinem Fenster begann, Blätter zu tragen. Nun gehen auch die Menschen wieder daran, ihre Gärten zu bestellen. Diese Zeit erinnert mich an den Frühling in Deutschland, und erst jetzt habe ich realisiert, dass die heiße Trockenzeit hier nicht unserem Sommer, sondern dem Winter entspricht. Eine Zeit, in der die Natur schläft, Mensch und Tier harten Bedingungen ausgesetzt sind, kein Anbau möglich ist und alle auf den Regen warten. Wenn dann der erste Regen kommt, fängt die Natur langsam an zu erwachen, wie im Frühling.

Sowohl in der Trockenzeit als auch in der Regenzeit glüht die Sonne. Der entscheidende Unterschied zwischen den beiden Zeiten, der die Natur zum Leben erweckt, ist der Regen. Wasser beutet also keinesfalls Winter, sondern Wasser bedeutet Leben. Sowohl für Mensch als auch für Tier.

Patricia Henning, In: Pfarrbriefservice.de

Patricia Henning (geb. 1987) stammt aus Kella im thüringischen Eichsfeld. Die junge Frau engagiert sich seit August 2016 für ein Jahr in der ugandischen Stadt Moroto für die Welthungerhilfe und die Caritas Uganda im Rahmen des entwicklungspolitischen Freiwilligendienstes „weltwärts“ des Bundesentwicklungsministeriums. Ihre Eindrücke und Erfahrungen schildert sie in der Pfarrbriefservice-Reihe „Eine Deutsche in Afrika“.

Tipp: Für Facebook-Nutzer zeigen zwei Videos anschaulich die Wasserknappheit in Karamoja nach trockenen und heißen Jahreszeiten.
- https://web.facebook.com/244270849091519/videos/533270413524893/
- https://web.facebook.com/loupa.pius3/videos/1937630229799392/

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Text: Patricia Henning
In: Pfarrbriefservice.de