Nicht nur eine Frage von Zahlen: Kirchenaustritt und Wiedereintritt

Das Schwerpunktthema für Februar 2011

am 02.11.2010 - 23:00  

Dass Katholiken ihre Kirche verlassen, ist ein Phänomen, das in Zahlen die 100.000-Grenze pro Jahr seit 1990 dauerhaft überschreitet. Für das Jahr 2010 werden die Austrittszahlen im Zuge des Missbrauchsskandals wohl einen neuen Höchststand erreichen. Hinter den Zahlen stehen Menschen, die für sich diese Entscheidung getroffen haben, und Gemeinden, die mit diesen Entscheidungen zurecht kommen müssen. Was sind die Gründe für einen Austritt? Was sind die Folgen? Fordern ausgetretene Christen die Seelsorge und die Gemeinden vor Ort heraus? Gibt es die Möglichkeit, den Kirchenaustritt wieder rückgängig zu machen? Und wieso bleiben dennoch Menschen in der Kirche und engagieren sich für sie? Das Thema Kirchenaustritt und die Möglichkeit des Wiedereintritts betrifft die Gemeinden vor Ort existenziell. Die Materialien dieses Monatsthemas möchten Pfarrbriefredaktionen darin unterstützen, die Frage der Kirchenmitgliedschaft in einer Pfarrbrief-Ausgabe aufzugreifen und die Situation vor Ort zu beleuchten.

    Bilder
    von

    Elfriede Klauer

    Alois Glück, früherer Präsident des Bayerischen Landtags, ist seit 2009 Vorsitzender des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. In einem Interview mit Pfarrbriefservice.de nimmt er Stellung zu Kirchenaustritt und Veränderungen in der katholischen Kirche.

    Interview mit Dr. Thomas Kroll, Leiter der AtriumKirche, über Kirchenaustritte in Bremen

    von

    Elfriede Klauer

    Dr. Thomas Kroll ist Leiter der AtriumKirche, des Informationszentrums der Katholischen Kirche in Bremen. Katholiken, die aus der Kirche austreten wollen, können das dort tun. Diejenigen, die wieder eintreten möchten, werden an die jeweiligen Wohnortpfarrer vermittelt. Über diese Bremer Besonderheit und über seine Erfahrungen berichtet Dr. Thomas Kroll in einem Interview.

    Drei gute Gründe, in der Kirche zu sein

    von

    Bischof Joachim Wanke

    Ich werde in den Medien oftmals nach der Situation der Kirche befragt. Ich soll Stellung nehmen zu ihrer Zukunft, zu Kirchenaustrittszahlen und zu dem, was mir als Bischof als pastorale Gegenstrategie dazu einfällt.

    Ein Christ ist auf die Kirche angewiesen

    von

    Bischof Joachim Wanke

    Im Glauben und Leben der Kirche verwurzelt sein – das ist eine Überlebensfrage für den katholischen Christen. Das war sie damals in der DDR, als man mit sublimen Drohungen und Verlockungen zum Kirchenaustritt nötigte; das ist sie heute, wo für manche die Kirchensteuer zum Fallstrick wird.

    von

    Nordelbische Ev.-Luth. Kirche

    1. Im christlichen Glauben bewahrt die Kirche eine Wahrheit, die Menschen sich nicht selber sagen können. Daraus ergeben sich Maßstäbe für ein verantwortungsbewusstes Leben.

    2. In der Kirche wird die menschliche Sehnsucht nach Segen gehört und beantwortet.

    von

    Ralf Mack

    Deutschlandweit lag der Anteil der Gottesdienstbesucher im Jahre 2009 nach Angaben der Deutschen Bischofskonferenz bei 13 Prozent der Katholiken.

    Mit Sympathie Menschen begegnen, die den Kirchenaustritt erwägen

    von

    Peter Weidemann

    Einmal im Jahr veröffentlicht die Deutsche Bischofskonferenz die „Eckdaten des kirchlichen Lebens in den Bistümern Deutschlands“. Die Rubrik „Kirchenaustritte“ ist dabei ein fester Bestandteil und erregt mal mehr, mal weniger das (öffentliche) Interesse.

    von

    Jürgen Damen

    Am Besten verhindert man Kirchenaustritte der Menschen durch menschliche Kirchenauftritte.
    Jürgen Damen

    Innerlich sind schon viel mehr Menschen aus der Kirche ausgetreten als diejenigen, die zum Amtsgericht gegangen sind.
    Jürgen Damen

    von

    Jürgen Damen

    Wer austritt, fehlt!
    Jürgen Damen

    Fehler und Fehlerinnen ...
    ... sind diejenigen Menschen, die fehlen.
    Jürgen Damen

    von

    Jürgen Damen

    Sicher sind einige derjenigen, die aus der Kirche austreten, "Wirtschaftsflüchtlinge". Die Kirchensteuer ist ihnen einfach zu teuer oder steht für sie in keinem Verhältnis mehr zu dem, was sie mit der Kirche verbindet.

    Vier Fragen an den Erfurter Bischof Joachim Wanke

    von

    Bischof Joachim Wanke/Elfriede Klauer

    Joachim Wanke ist Bischof des Bistums Erfurt und Mitglied der Pastoralkommission der Deutschen Bischofskonferenz. In einem Interview mit pfarrbriefservice.de nimmt er Stellung zum Thema Kirchenaustritt.

    von

    Elfriede Klauer

    Klaus Becker arbeitet als Gemeindereferent im Bischöflichen Seelsorgeamt des Bistums Würzburg.

    von

    Jürgen Damen

    Gott, ich will mich nicht daran gewöhnen,
    dass Menschen aus der Kirche austreten,
    ich will mich nicht daran gewöhnen,
    diese Menschen als Austrittszahlen zu sehen,
    ich will dann nicht zum Tagesgeschäft übergehen.

    von

    Elfriede Klauer

    Ulrich Stein* (geb. 1971) trat 1992 aus der katholischen Kirche aus, und zwei Jahre später wieder ein. In einem Interview erzählt er, was ihn damals bewegt hat.

    von

    www.katholisch-werden.de und Pfr. Stefan Krönung

    Gibt es einen Weg zurück in die katholische Kirche?

    Tipps für Pfarrbriefredaktionen

    - Warum bleiben Menschen vor Ort in der Kirche und engagieren sich für sie? Bitten Sie prominente und weniger bekannte Frauen und Männer um ein kurzes Statement und veröffentlichen Sie dieses mit Bild in Ihrem Pfarrbrief. Anregungen zu dieser Mitmach-Aktion finden Sie auch im Internet unter http://www.liborius.de/specials/aktion-gegen-kirchenaustritt.html.  

    - Wie sind die Zahlen der Kirchenaustritte und -wiedereintritte bei Ihnen in Ihrer Pfarrei oder Pfarreiengemeinschaft? Fragen Sie Ihren Pfarrer.

    - Sie können auch fragen, wie die Pfarrei Kirchenaustritte mitbekommt und wie damit umgegangen wird.

    - Umgekehrt könnten Sie beschreiben, wie ein Wiedereintritt bei Ihnen vor Ort möglich ist und was da genau geschieht. Sie könnten damit Menschen helfen, die gerne wieder dazu gehören möchten, aber nicht recht wissen, wie sie das anfangen sollen.
    Ihr Ansprechpartner für ein Gespräch ist der zuständige Priester oder ein anderer Seelsorger, der sich mit dem Wiedereintritt auskennt. Drucken Sie das Interview zusammen mit einem Bild des Gesprächspartners oder der Interview-Situation. Mögliche Fragen könnten sein:

    • Was muss man tun, wenn man wieder in die Kirche eintreten will?
    • Welcher Zeitaufwand, welche Kosten kommen da auf einen zu?
    • Wie viele Menschen fragen bezüglich eines Wiedereintritts nach?
    • Welche Motive veranlassen die Menschen, wieder einzutreten?
    • Wird der Name öffentlich gemacht, wenn man wieder eintritt?
    • Wie kann man, wenn man wieder eintreten will, den zuständigen Seelsorger für ein erstes Gespräch erreichen?

    Buchtipp: Ich bleib dann mal da

    „Ich bleib dann mal da“ überschrieb Bruder Paulus sein neuestes Buch, und er tat dies im bewussten Gegensatz zum Verkaufsschlager von Hape Kerkeling „Ich bin dann mal weg“. „Das Weggehen fällt viel zu leicht. Schwer ist das Bleiben“, schreibt er. Und er meint damit das Bleiben in der Kirche und das Bleiben in einer Gesellschaft, in der es sich zu leben lohnt, weil sie vom Katholischen durchdrungen ist, wie Paulus schreibt. Katholisch verwendet der Autor dabei im Sinne von weit, weltweit, umfassend und allgemein.

    Seiner Ansicht nach ist es aber heute wichtiger als je zuvor, deutlich zu machen, was bewahrenswert katholisch ist und wie sehr die Gesellschaft davon profitieren könnte, wenn ihre Mitglieder danach leben würden. Diesem Anliegen dient sein neues Buch.

    In einer Sprache, die auf den Punkt kommt, zuspitzt und klar und verständlich formuliert, legt Bruder Paulus dar, was für ihn katholisch ist: beispielsweise neu anfangen zu dürfen - fröhlich zuzupacken im Vertrauen auf die Gnade Gottes, die korrigieren hilft - das Wohl der anderen im Blick habend - den Feind liebend - die Transzendenz pflegend – Regeln anerkennend und die Freiheit liebend – dankbar und opferbereit sein – mutig Sünden bekennend.

    In sechs Kapiteln spannt Bruder Paulus auf, was für ihn grundlegend katholisch ist und wie das Katholische förderlich in die Gesellschaft hineinwirken könnte. Spannend zu lesen sind diese gedanklichen Brücken, wenn er etwa schreibt: „Der Gesellschaft geht es wie der Eucharistie. Die Eucharistie ist nur lebendig, wenn man wirklich dankbar ist.“ (S. 101) Oder: „Der Blick auf den Kruzifixus gibt mir die Kraft, an einer Stelle dieser Welt überhaupt anzufangen, ganz nach dem Motto: Einer geht noch mit, wo keiner sich mehr zu bewegen traut. Diese Haltung braucht Deutschland.“ (S. 121) Oder: „Deutschland würde gesünder leben, wenn wir das lebensfrohe Fasten der Katholiken wieder in die Stundenpläne der Bildungseinrichtungen schrieben.“ (S. 85).

    Man muss als Leser nicht mit allen Brückenschlägen einverstanden sein. Das Verdienst dieses Buches ist es, aufzuzeigen, warum es sich lohnt, in der katholischen Kirche zu bleiben und sich als gläubiger Mensch und als gläubige Gemeinschaft in der Gesellschaft zu engagieren.

    Bruder Paulus Terwitte: Ich bleib dann mal da - Warum das Katholische in unserer Gesellschaft nicht fehlen darf. 2011. Verlag: Vier Türme, Münsterschwarzach, gebunden, 160 Seiten. ISBN: 978-3-89680-496-9. 16,90 Euro.

    Der Autor:

    Bruder Paulus Terwitte, geb. 1959, ist Kapuziner und katholischer Priester in Frankfurt am Main. Er engagiert sich für die Verkündigung des Evangeliums und ist u.a. bekannt als Autor, Kolumnist sowie durch seine TV- und Radiobeiträge in SAT.1, HR4 und domradio.

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