Was ist mit dem Begriff Rassismus gemeint?

„Die westliche Gesellschaft der Neuzeit hat schon früh aus der Verschiedenheit der Kulturen auf der ganzen Welt ebenso absurde wie tragische Schlussfolgerungen gezogen, indem sie diese Verschiedenheit völlig fiktiven Rassemerkmalen zuschrieb, auf Grund derer sich der ‚weiße‘ oder ‚arische‘ Mensch das Recht auf Ausbeutung, Beherrschung und Demütigung anderer Menschen anmaßte.“¹  

Rassismus hat eine Geschichte, deren Beginn umstritten ist, deren sogenannte wissenschaftliche Ausformung im 18. Jahrhundert begann und sich tief in unserem Alltagsbewusstsein verankert hat. Bis heute existiert die Überzeugung, dass Europa (und die sich in der europäischen Tradition verstehenden Nationen) und damit „die Weißen“ dem Rest der Welt überlegen seien. Diese Überzeugung, die auch als „white supremacy“ bezeichnet wird – also die Idee der „weißen Vorherrschaft“ – bestätigt sich in der globalen Macht- und Ressourcenverteilung ebenso wie in alltäglichen Formen der Diskriminierungen in unserer Gesellschaft. Die fiktiven Rassemerkmale – faul, hinterlistig, betrügerisch, geldgierig, sexuell bedrohlich, triebhaft, kinderfeindlich usw. –, die dem bzw. den „Anderen“ zugeschrieben werden, haben sich bis heute nicht geändert.

Das Bild „des Anderen“ – das „der Schwarzen“, „der Muslime“, „der Zigeuner“ – dient sowohl der Stabilisierung der globalen und gesellschaftlichen Machtverhältnisse als auch der individuellen Selbstvergewisserung und Selbstbestätigung. In eben diesen Anderen können jegliche gesellschaftliche Probleme sowie die Ursachen von Gewalt, Frauenfeindlichkeit/Sexismus, Arbeitslosigkeit, Verfall der Werte beliebig verortet werden.

Kultureller Rassismus

Inzwischen besteht ein wissenschaftlicher Konsens, dass es keine Rassen gibt. Der biologische Rassismus ist gesellschaftlich geächtet. Rassekonstruktionen funktionieren deshalb heute vor allem über den Bezug auf „Kulturen“ oder vermeintliche „kulturelle Identitäten“. Dabei liegen dem kulturellen Rassismus – im Fachbegriff auch „Ethnopluralismus“ genannt – ebenfalls Praktiken der Zuschreibung und Ausgrenzung zu Grunde. Wenn Lebensformen, Sitten und Gebräuche von bestimmten Gruppen als „normal“ und einzige Lebensform angesehen werden und andere, von der (europäischen) Norm abweichende als negativ bewertet und diskriminiert werden, ohne dass dies genetisch oder biologisch begründet wird, kann von einem kulturellen Rassismus gesprochen werden². Ein Beispiel hierfür sind die Behauptungen von Thilo Sarrazin in „Deutschland schafft sich ab“ (2010), Menschen türkischer Abstammung seien kulturell nicht in der Lage sich zu integrieren und seien qua Kultur bildungsfern.

Quelle: Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche & Rechtsextremismus. Handreichung #2. 5 Fragen zu Rassismus, www.bagkr.de, In: Pfarrbriefservice.de
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¹ Leon Poliakov u.a. 1992: Rassismus – über Fremdenfeindlichkeit und Rassenwahn, Hamburg.
² Etienne Balibar und Immanuel Wallerstein 1998: Rasse-Klasse-Nation: Ambivalente Identitäten, 2. Aufl., Berlin.

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Text: Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche & Rechtsextremismus. Handreichung #2. 5 Fragen zu Rassismus, www.bagkr.de
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