"Und sagt nicht: Drei!" von G. Girschek

Islam und Christentum: Trinität im Widerstreit

Das waren mutige Worte, mit denen um das Jahr 610 n. Chr. in Mekka, im heutigen Saudi Arabien, der ehemalige Kaufmann Mohammed öffentlich vor dem Endgericht des einen Gottes warnte: "Wer dann“ – durch seine guten Werke - „schwere Waagschalen hat, der wird ein zufriedenes Leben haben. Und wer leichte Waagschalen hat, der wird zur Mutter einen Abgrund haben … Ein glühendes Feuer!" (Koran, Sure 101,1-10).

Aufgewachsen als Waise, hatte Mohammed Karriere gemacht im Dienst einer wohlhabenden Kauffrau, die er heiratete, somit auf der sozialen Leiter nach oben schnellte, in die Oberschicht Mekkas, der pulsierenden Handelsstadt mit ihrer schlaffen Vielgötterei, einem gewinnträchtigen Pilgerwesen um die Kaaba, das arabische Zentralheiligtum, ihrer tiefen Kluft zwischen Arm und Reich. Jetzt wusste er sich zum Propheten bestellt, berief sich auf ihm erteilte göttliche Offenbarungen – und bedrohte mit seiner Gesellschafts- und Religionskritik die Geschäftsinteressen Mekkas.

Der eine, einzige Gott

Ein Besessener ist das, meinte die empörte Menge, heute gesagt: ein Spinner, um den gleichwohl ziemlich zügig eine Gemeinde heranwuchs, um den Prediger gegen die Sittenlosigkeit, gegen das brutale Geschäftsgebaren Mekkas, den Künder des nahen Endgerichts, den Bekenner des einen, einzigen Gottes, der keine Götter neben sich habe.

Der eine und einzige Gott, das ist der theologische Angelpunkt, der laut dem Islam an Mohammed ergangenen letztgültigen Offenbarung Gottes, niedergelegt im Koran. In Vielem ähneln Islam und Christentum einander, in den sittlichen Forderungen, im Glauben an Gott als sorgenden Schöpfer von Welt und Menschen, als Richter am Zeitenende. Nicht in voller Breite greift der Koran deshalb die Christen an, sondern verurteilt zunächst in Milde, dann mit sich steigernder Schärfe nur das, was er deren Übertreibung nennt: den Glauben an die Dreifaltigkeit Gottes – oder was er darunter versteht. Das aber mag seine Schilderung eines Gesprächs Gottes mit Jesus im Himmel andeuten: "Und als Gott sprach: O Jesus, Sohn Marias, warst du es, der zu den Menschen sagte: ‚Nehmt euch neben Gott mich und meine Mutter zu Göttern’? Er [Jesus] sagte: …Es steht mir nicht zu, etwas zu sagen, wozu ich kein Recht habe." (5,116). – Gott, Jesus und Maria scheinen dem Koran die Trinität zu bilden - vielleicht Wiedergabe eines Eindrucks, den Mohammed auf Geschäftsreisen aus starker christlicher Marienfrömmigkeit gewonnen haben könnte.

Auf den christlichen Glauben an den Heiligen Geist kommt der Koran nicht ausdrücklich zu sprechen, verwirft aber die Gottessohnschaft Jesu mit Nachdruck.

Jesus nur ein Mensch

Denn Gott sei auf niemanden angewiesen (10,65 u. 2,116); wolle er etwas, erschaffe er es durch sein schöpferisches Wort (2,117), nicht durch einen Zeugungsakt (112,3). So habe er kein Kind, keine Gefährtin (72,3 u. 6,101). - "Und sagt nicht: Drei! … Gott ist doch ein einziger Gott … (darüber erhaben) ein Kind zu haben. Und Gott genügt als Sachwalter" (4,171), ermahnt der Koran die Christen, deren Dreifaltigkeitsglaube ihm schließlich der Vielgötterei verdächtig ist, weshalb er droht: "Ungläubig sind die, die sagen: Gott ist einer von dreien. Es gibt keinen Gott außer einem einzigen Gott. Und wenn sie … nicht aufhören, so wird diejenigen von ihnen, die ungläubig sind, eine schmerzhafte Strafe treffen" (5,73).

Jesus ist dem Koran nur ein Mensch, aber immerhin ein großer Prophet in einer langen Reihe Gottgesandter, die Mohammed, das „Siegel“ der Propheten, mit seiner Verkündigung letztgültiger Offenbarung Gottes beschließe.

Strenger Monotheismus

Früher oder später wird das religiöse Gespräch eines Christen mit einem Moslem sich reiben am christlichen Dreifaltigkeitsglauben und der muslimischen Verehrung des einen und einzigen Gottes. Der Hinweis auf das offensichtlich falsche koranische Verständnis der christlichen Dreifaltigkeitslehre wird oftmals nicht greifen – gilt doch den Moslems der Koran als Wort Gottes, der nicht irren kann.

Das verweist auf den Unterschied im Umgang der Religionen mit ihren heiligen Schriften: Heutige christliche Theologie untersucht zum besseren Verstehen auch die historischen Umstände der Zeit des Alten und Neuen Testaments. Für den Christen ist die Bibel ein Ergebnis göttlicher Inspiration und menschlicher Gestaltung, keine Reportage, sondern ein Glaubenszeugnis, das wissenschaftlich untersucht werden darf. Doch an den Koran, der nach islamischem Glauben verbalinspiriert, wortwörtliche Rede Gottes ist, darf in weiten Bereichen der islamischen Welt – auch in wissenschaftlicher Absicht – nicht gerührt werden.

Grundgelegt im II. Vatikanischen Konzil, entfaltet von Johannes Paul II., hat der katholisch-islamische Dialog auch die Aufgabe, Missverständnisse und Vorurteile zwischen den Religionen aufzulösen: ein langer, doch lohnender Weg.

Georg Girschek

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Das Schwerpunktthema für Oktober 2011

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Text: G. Girschek
In: Pfarrbriefservice.de