Synodaler Weg: Der abgelehnte Text zur katholischen Sexuallehre

Worum geht es? Und worin besteht die Uneinigkeit?

Wie alle Synodalforen, so hatte auch das Forum 4 einen Grundlagentext vorgelegt. Er sollte eine Erneuerung der katholischen Sexuallehre initiieren. Der Text war in erster Lesung ein Jahr zuvor in der zweiten Vollversammlung mit großer Mehrheit angenommen worden. Auch in der vierten Vollversammlung zur zweiten Lesung fand er die Zustimmung von über 82 Prozent aller Synodal:innen. Er scheiterte dennoch, weil die in der Satzung vorgesehene Zweidrittelmehrheit der Bischöfe nicht erreicht wurde. 21 (Weih-) Bischöfe (39 Prozent) stimmten gegen den Text. Nur 33 (61 Prozent) der anwesenden Bischöfe stimmten dafür.

Worum geht es? Worin besteht solcher Dissens zwischen den Bischöfen und zwischen Bischöfen und den Gläubigen?

Im Text werden viele alte Themen, die seit den 1960er Jahren debattiert werden, aufgerufen: Sex vor und außerhalb der Ehe, Familienplanung, sexuelle Selbstbestimmung und die Bewertung von Homosexualität. Gegenüber der überkommenen Lehre stellt der Text nicht mehr die Zeugung, sondern die Liebe in den Mittelpunkt. Verbindliche Beziehungen zwischen zwei erwachsenen Menschen stehen unter dem Segen Gottes, auch gleichgeschlechtliche.

Außerdem geht es um neuere Themen: um Frauen und Männer und um diejenigen, die zwischen den Polen von weiblich und männlich geboren werden. Es geht um Sex (biologisches Geschlecht) und Gender (soziales Geschlecht). Damit holt der Text die katholische Kirche (immer noch sehr vorsichtig, vielen viel zu vorsichtig) auf die Höhe der Zeit – gegen römische Voten, die immer noch gegen angebliche „Genderideologie“ polemisieren, die Vielfalt des Geschlechtlichen ignorieren und ganz genau zu wissen glauben, was „die“ Frau ist, kann und darf.

Ein zeitgemäß(er)er Zugang zu Sexualität, Familie und Partnerschaft

Der Text nimmt also wichtige Umstellungen vor hin zu einem erneuerten, zeitgemäß(er)en Zugang zu Sexualität, Familie und Partnerschaft. Die kirchliche Lehre soll nicht mehr bei Verboten ansetzen, keine Schuldgefühle mehr provozieren, sondern Sexualität als positive Kraft wertschätzen und das Selbstbestimmungsrecht der Menschen achten. Außerdem wagt man einen selbstkritischen Blick auf kirchliche Lehre und kirchliches Handeln. Gleich am Anfang heißt es: „Auch durch die Lehre zu Sexualität und die kirchliche Praxis haben sich Mitglieder unserer Kirche, aber auch die Kirche als Institution und Gemeinschaft der Glaubenden schuldig gemacht.“

40 Prozent der anwesenden (Weih-)Bischöfe haben dem nicht zugestimmt. Kaum einer hatte indes in den vergangenen Monaten die Chance genutzt, sich über den Text zu informieren und aktiv in die Textarbeit einzusteigen. Kaum einer hat sich in der Debatte in Frankfurt qualifiziert dazu geäußert. So scheiterte ein Text, der die katholische Sexuallehre endlich mit dem wirklichen Leben hätte versöhnen können, am Widerstand kirchlicher Amtsträger, die offensichtlich nicht bereit sind, den Menschen zuzugestehen, selbstbestimmt und in eigener Verantwortung ihre Partnerschaft und Sexualität zu gestalten.

Julia Knop, In: Pfarrbriefservice.de

Dr. theol. Julia Knop (geb. 1977) ist Professorin für Dogmatik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt und Mitglied der Synodalversammlung sowie des Synodalforums „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche“.

Der Synodale Weg

Der Synodale Weg ist ein Gesprächsprozess innerhalb der katholischen Kirche in Deutschland. Er soll der Aufarbeitung von Fragen dienen, die sich im Herbst 2018 nach der Veröffentlichung der sogenannten MHG-Studie über sexuellen Missbrauch in der Kirche ergeben haben. Die Deutsche Bischofskonferenz und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken verantworten gemeinsam diesen Prozess, der auf mehrere Jahre angelegt ist und am 1. Dezember 2019 eröffnet wurde. www.synodalerweg.de

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Text: Julia Knop
In: Pfarrbriefservice.de