Prüfen ohne Ende
Ich geb´s zu: Ich habe einen Umtausch-Tick. Kaum habe ich nach ausführlicher Anprobe z.B. ein T-Shirt erstanden im Laden und nach Hause getragen, erfasst mich der Gedanke, ob nicht doch die andere Farbe schicker gewesen wäre, besser zu kombinieren, oder die größere Größe sinnvoller, könnte ja einlaufen. Und dann wandert das besagte T-Shirt wieder zurück in den Laden, wird umgetauscht. Und – das mag ich nun kaum zugeben: Es kann durchaus vorkommen, dass ich nach weiteren Tests zuhause mit hängendem Kopf und auf unerschöpfliche Kundenfreundlichkeit der Verkäuferin hoffend, nochmal im Laden auflaufe zwecks erneuten Rücktauschs oder endgültiger Rückgabe. So was von peinlich!
Mit meinem Umtausch-Tick bin ich voll im Trend. Ein Prüfen ohne Ende, das häufig damit endet, gar nichts zu wählen, ist eine typische Erscheinung unserer Multi-Optionsgesellschaft und hat einen offiziellen Namen: FOMO – Fear of missing out, die Angst, etwas zu verpassen. Besonders verbreitet unter den Digital Natives: beständig scrollen und switchen auf dem Smartphone, bei WhatsApp, TikTok, Instagram, bei dieser Influencerin oder jenem Blogger, immer online mit der Peergroup: Wo gibt´s das schickere Meeting, die wildere Party … Was machst du gerade? Mach ich mit oder nicht? Bilder und News im Sekundentakt: gucken und vergleichen und beneiden. Was ist top? Bin ich etwa hop?
FOMO hat viele Gesichter und kann sich als FOBO – Fear of better Options, die Angst vor besseren Möglichkeiten – noch verstärken. Denn immer und für alles gibt es eine vielleicht bessere Wahl. Müsste ich die nicht erst einmal checken vor einer Entscheidung? Nicht nur Pizza oder Pasta, Kino oder Party, auch dieser und jener Job, diese oder jene Paarbeziehung – die unzähligen kleinen und großen Entscheidungen, die wir beständig treffen müssen, können überfordern, zu psychischen Problemen führen, zu einem inneren und äußeren Stillstand in aller Hektik. Interessant, dass es gerade auch unter jungen Leuten einen Gegentrend dazu gibt: JOMO – Joy of missing out, die Freude, etwas zu verpassen: sich mal bewusst ausklinken, offline stellen. Zu sich kommen. Fragen, wozu habe ich selbst Lust? Ohne zu checken, was die andern gerade machen oder nicht. Nicht: tausend Bildern anderer folgen, sondern dem eigenen Kopf und Bauch. Analog statt digital. Keine grundsätzliche Verweigerung, aber eine Pause. Das Leben einfach mal auf sich zukommen und geschehen lassen.
Mir ist dieses Akronym eingefallen: AHAZ – Alles hat Zeit, (seine) Zeit. Ein Gedanke aus dem weisen Predigerbuch in der Bibel: Das vielfältige, bunte Leben hat einen sinnvollen, guten Rhythmus, in den ich mich einklinken, ja einschwingen kann. Für alles gibt es eine eigene, eine passende Zeit: Weinen und lachen. Einreißen und aufbauen. Schweigen und reden. Sich umarmen und sich trennen … Spannend: mal das endlose Prüfen lassen und loslassen. Und sich entspannt drauf einlassen: Alles hat seine Zeit.
Andrea Schneider; Buch „Prüft alles und behaltet das Gute“ von Tobias Petzoldt, Stefanie Schardien und Andrea Schneider; S. 30/31; bestellbar unter: https://www.chrismonshop.de/titel-zur-jahreslosung-2025, In: Pfarrbriefservice.de
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Text: Andrea Schneider; Buch „Prüft alles und behaltet das Gute“ von Tobias Petzoldt, Stefanie Schardien und Andrea Schneider; S. 30/31In: Pfarrbriefservice.de