Nasenbluten

Tropfen für Tropfen rinnt es aus der Nase. Große Tropfen. In schneller Abfolge. Tiefrote Tropfen, die nach Eisen riechen. „Nicht schlimm“, denke ich zuerst. Das ist bei Kindern normal und hört so schnell auf, wie es gekommen ist. Doch diesmal hört es nicht auf. Seit einer Stunde schon tropft es unaufhörlich aus der Nase meines 12jährigen. Dabei ist er weder gestürzt noch hat er eins auf die Nase bekommen. Unzählige Lappen sind bereits durchtränkt von seinem Blut. Eine kleine Emaille-Schüssel, die ich ihm zwischenzeitlich gegeben hatte, musste ich bereits einmal frisch machen. Keines der Hausmittel, die man so kennt, nutzt etwas. „Du musst die Nase fest zuhalten.“ – „Mach ich doch, aber dann läuft das Blut hinten runter in den Mund.“ Er spuckt es in die Schüssel. Langsam kommt Panik hoch. „Das ist doch nicht mehr normal.“ Wir wissen nicht weiter. Dr. Google auch nicht. Schließlich die Entscheidung: Wir brauchen professionelle Hilfe. Da es schon Abend ist, fahren wir direkt in die Notaufnahme der nahen HNO-Klinik. Auf der 20-minütigen Fahrt gehen mir alle möglichen Fantasien durch den Kopf. „Da ist bestimmt eine große Nasenvene geplatzt. Oder ist es etwas Schlimmeres? Ein Tumor vielleicht? Blutkrebs?“

Der diensthabende Arzt ist sehr freundlich. Seine erste Anweisung: „Bitte drücke deine Nase ganz fest zu und lasse nicht los, bis ich wiederkomme.“ Die Minuten vergehen im Schneckentempo. Ich schaue meinen Sohn an. Er ist ganz blass im Gesicht. Normalerweise ist er hart im Nehmen, aber sein eigenes Blut in der Nase, im Mund und direkt vor dem Gesicht, über Stunden, das nimmt ihn jetzt doch mit. Nach fünf Minuten ist der Arzt wieder da: „Jetzt kannst du deine Nase loslassen.“ Gebannt schauen wir auf die blutverschmierten Nasenflügel. Kein Tropfen löst sich. Große Erleichterung. Und große Dankbarkeit dafür, dass es Menschen gibt, die einem helfend zur Seite stehen, wenn man selber nicht mehr weiter weiß.

Christian Schmitt, In: Pfarrbriefservice.de

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Text: Christian Schmitt
In: Pfarrbriefservice.de