„Nachhaltigkeit ist etwas, das sich nicht jedem auf Anhieb erschließt.“

Interview mit Dr. Helge Wulsdorf, Experte für Nachhaltige Geldanlagen

Dr. Helge Wulsdorf ist Leiter „Nachhaltige Geldanlagen“ bei der Bank für Kirche und Caritas eG mit Sitz in Paderborn. An der Orientierungshilfe „Ethisch-nachhaltig investieren“ der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) hat der Diplom-Theologe maßgeblich mitgewirkt.

Herr Dr. Wulsdorf, was hat die Herausgeber dazu bewogen, einen Leitfaden für ethisch-nachhaltige Geldanlagen zu veröffentlichen?

Das Thema Geld und Kirche ist ein sehr sensibles, das zum Teil sehr kontrovers diskutiert wird. Die beiden Herausgeber haben hier Handlungsbedarf gesehen. Schließlich geht es nicht nur darum zu wissen, wie viel Geld die Kirche hat, sondern auch darum, wie sie mit ihrem Vermögen umgeht. Ethisch-nachhaltig investieren heißt, es werden auf Grundlage der christlichen Wertorientierung konkrete Anlagekriterien umgesetzt. Gerade in der öffentlichen Wahrnehmung ist es wichtig, dass die Kirche das ihr treuhänderisch anvertraute Vermögen glaubwürdig verwaltet.

Wie steht es inzwischen um ethisch-nachhaltiges Investment der kirchlichen Einrichtungen? Geht die Kirche mit gutem Beispiel voran?

Leider gibt es keine verlässlichen Zahlen, wie viel Geld in der Kirche nach ethisch-nachhaltigen Kriterien angelegt wird. Es lässt sich auch nicht einfach von „der“ Kirche sprechen. Wir wissen, dass zahlreiche kirchliche und caritative Einrichtungen das Thema schon seit längerem sehr ernst nehmen und klare ethisch-nachhaltige Anlagestrategien verfolgen. Bei anderen Trägern hat man dagegen eher den Eindruck, das Thema ist noch nicht in wünschenswerter Weise angekommen. Perspektivisch gesprochen: Es ist noch Luft nach oben.

Wo sehen Sie noch Verbesserungsbedarf? Wie kann man die Verantwortlichen erreichen und überzeugen?

Ich glaube, dass die Orientierungshilfe gut und umfassend für ethisch-nachhaltige Geldanlagen sensibilisiert. Ich bin immer wieder auf Veranstaltungen und in Workshops und bringe den Teilnehmenden die Thematik nahe. Hierfür bedarf es Zeit und vor allem Sachkompetenz. Nachhaltigkeit ist etwas, das sich nicht jedem auf Anhieb erschießt. Transfair- und Bio-Siegel sprechen inzwischen für sich, bei den Geldanlagen muss man schon an der einen oder anderen Stelle „Geburtshelfer“ spielen, um Finanzverantwortliche von dieser Art des Investments zu überzeugen. Es bedarf noch einiges an Aufklärungsarbeit, damit die Finanzmärkte wirklich nachhaltiger werden.

Was bewegt institutionelle und private Anleger, ihr Geld nach ethisch-nachhaltigen Kriterien anzulegen? Gibt es Unterschiede und welche?

Sie sehen für sich vor allem ein Reputationsrisiko darin, womöglich zum „Sponsor unethischer Geschäftspraktiken“ zu werden, wenn sie keine ethisch-nachhaltigen Kriterien haben. Gerade für institutionelle Kunden ist es wichtig, dass sie Ertragsverwendung und Ertragserwirtschaftung vor dem Hintergrund ihrer christlichen Wertorientierung in Einklang bringen. Privatkunden zeigen sich zunehmend interessiert daran, was mit ihrem Geld passiert, wo es angelegt ist und wo nicht. Transparenz und Glaubwürdigkeit sind dabei die beiden Leitmotive, die institutionelle und private Anleger einen.

Wie steht es um Performance und Sicherheit ethischer Anlagen? Sind diese mit konventionellen Anlagen vergleichbar oder gelten für diese andere Bewertungsgrundlagen?

Ein Vorurteil hält sich weiterhin hartnäckig: Mit ethisch-nachhaltigen Geldanlagen sind Renditeeinbußen verbunden. Zahlreiche Studien belegen allerdings das Gegenteil. Mit ethisch-nachhaltigen Geldanlagen lassen sich durchaus attraktive Renditen erwirtschaften. Sie müssen sich vor konventionellen Anlagen also keinesfalls verstecken. Bedingung ist natürlich, dass Nachhaltigkeit gut gemanagt wird. Für uns ist Nachhaltigkeit ein Risikoansatz, mit dem wir Chancen im Sinne einer langfristig höheren Rendite nutzen wollen.

Inzwischen bieten nicht nur alternative oder kirchliche Banken, sondern ein Großteil der konventionellen Finanzdienstleister „grüne“ Produkte an. Wie können Anleger am Ende sicher sein, dass ihre Geldanlage wirklich nachhaltig ist? Wo sollten diese sich Ihrer Meinung nach informieren?

Machen wir uns nichts vor: Mit Nachhaltigkeit wird gerade im Finanzbereich viel so genanntes „Greenwashing“ betrieben. Das heißt, so nachhaltig wie auf den ersten Blick angepriesen, sind die Produkte auf den zweiten dann doch nicht. Die Kunden müssen gerade zu nachhaltigen Produkten bei ihren Kundenbetreuern mit Nachdruck nachfragen. Wie wird Nachhaltigkeit verstanden? Welche Anlagekriterien werden wie, mit welchem Ansatz umgesetzt? Nicht zuletzt: Wie nachhaltig ist meine Bank insgesamt aufgestellt? Ergibt sich für den Kunden dann ein plausibles Gesamtbild, wird er auch das für ihn richtige Produkt finden.

Sie sind Mitarbeiter der Bank für Kirche und Caritas. Legt Ihr Institut sein Geld ebenfalls nach ethisch-nachhaltigen Kriterien an?

Wir legen unsere treuhänderisch verwalteten Kundengelder schon seit fast eineinhalb Jahrzehnten ethisch-nachhaltig an. Alle unsere hauseigenen Produkte, etwa unser Aktien- und unser Mischfonds, sind ethisch-nachhaltig. Wir haben damals als erste Kirchenbank für unsere Eigenanlagen einen auf christlichen Werten basierenden Nachhaltigkeitsfilter entwickelt und diesen beständig anhand der erhöhten Anforderungen unserer Kunden optimiert. Wir haben eine recht lange Historie und wissen daher, worüber wir reden, wenn wir von Nachhaltigkeit im Bankgeschäft sprechen. Inzwischen besteht unser Kompetenzzentrum „Nachhaltige Geldanlagen“ aus zwei Experten, die sich tagtäglich mit der Umsetzung ethisch-nachhaltiger Herausforderungen in einer Kirchenbank auseinandersetzen.

Auf welches der von Ihrer Bank geförderten Investmentprojekte sind Sie besonders stolz?

Wir sind als Bank in vielfältige Produkte investiert, die teilweise einen ganz klaren Nachhaltigkeitsfokus haben. Hierzu zählen etwa erneuerbare Energien und Mikrofinanzen. Zu unserem genossenschaftlichen Förderauftrag gehört es aber auch, Initiativen unserer Kunden in Kirche und Caritas zu unterstützen. Gerade im Sozialbereich gibt es einige Projekte, die sich Nachhaltigkeit, zum Beispiel im Sinne von mehr Generationengerechtigkeit, auf die Fahnen geschrieben haben.

Interview: Christian Schmitt, In: Pfarrbriefservice.de

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Text: Christian Schmitt
In: Pfarrbriefservice.de