Lob des Wartens

Adventszeit ist Übungszeit und Kinder sind die Lehrmeister

Zehn Mal werden wir noch wach, heißa, dann ist Weihnachtstag. Heute ist der 14. Dezember. Das mag den ein oder andren Erwachsenen in leichte Panik versetzen – oh Gott, noch immer kein Geschenk. Für die meisten Kinder aber bedeutet es: Noch zehn Tage Warten. Zehn Tage gespannte Vorfreude, bis es Geschenke gibt, das Christkind kommt, bis all das Besondere sich wieder einstellt, was zu Heiligabend gehört. Der Advent ist eine ganz eigene Zeit des Wartens: An den Kindern kann man das gut sehen. Und als Erwachsene versuche ich dieses Jahr, mich ein bisschen stärker von dieser positiven Kraft des Wartens anstecken zu lassen.

Denn für uns Erwachsene ist Warten ja meist nichts so Tolles. Wartenkönnen ist schwierig geworden in einer Gesellschaft, in der Zeit Geld ist und fast jeder das Gefühl hat, getrieben zu sein. Warten auf den verspäteten Zug, Warten in der Schlange im Kaufhaus: Das kann richtig Nerven kosten. Erst recht im Advent. Da ist bei vielen die Zeit noch knapper. Man kann und will dann nicht warten. Man will die Dinge sofort und auf der Stelle. In gewisser Weise sogar das Weihnachtsfest selbst: Dass auf den Plätzen schon die Weihnachtskrippen stehen und in manchen Wohnzimmern der Weihnachtsbaum: Das ist ja ein Zeichen dafür, dass Erwachsenen das Warten noch schwerer fällt als Kindern.

Dabei kann Warten doch auch so schön sein. Wie wunderbar ist es, auf einen guten Freund zu warten. Oder auf ein tolles Konzert. Das kann mir den ganzen Tag versüßen. Und wie gut ist es auch, wenn ich meine Ungeduld bezähme, wenn ich den Dingen Zeit lasse und besonders auch den Menschen. Vertrauen etwa lässt sich ja nicht von jetzt auf gleich herbeizitieren, erst recht nicht die Liebe. Im Advent muss ich auch immer mal wieder an ein Lied von Phil Collins denken: You can’t hurry love. No, you’ll just have to wait. Vertrauen und Liebe kommen nicht schnell daher. Ich muss auf sie warten können.

Im Advent kann ich das Warten wieder üben. Und mich davon inspirieren lassen, wie Kinder das machen: Ich gönne mir zum Beispiel jeden Tag ein Stück Schokolade aus meinem Adventskalender. Ich genieße die Zwischenschritte. Ich schaue sehr bewusst in meinen Kalender und nehme wahr, wie viele Tage es noch sind bis Weihnachten. Zehn Mal werden wir noch wach …

Beate Hirt
Quelle: Deutschlandradio Kultur, Wort zum Tage 14.12.2011, www.dradio-dw-kath.eu

zum Text: http://www.dradio-dw-kath.eu/beitrag.php?id=1079

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Text: Beate Hirt
In: Pfarrbriefservice.de