Lob der Antriebslosigkeit

Über die Entdeckung der eigenen Kraftquelle

Ein junger Mann, der in allem, was er tat, immer vor Begeisterung und Motivation sprühte, war in einer Krise. Seit Tagen, ja fast Wochen schon, fühlte er sich antriebslos und ohne jeden Schwung. Das Einzige was er schaffte, war die alltäglichen und üblichen Aufgaben zu erledigen. Zu mehr reichte seine Kraft nicht. Zu mehr hatte er keinerlei Motivation. Er konnte sich selbst zu nichts begeistern – und erst recht nicht Andere. Er wusste sich keinen Rat mehr.

Da schien ihm die Entdeckung in der Zeitung fast schon wie eine Rettung: Ein berühmter Motivationstrainer würde in den nächsten Tagen in der Stadt sein und seine Kunst zum Besten geben. Diese Chance wollte er nutzen. Tausende hatten sich versammelt und lauschten den Worten jenes Mannes, der am meisten von sich selbst begeistert zu sein schien. Das Ganze für ein nicht ganz unerhebliches Eintrittsgeld versteht sich. Doch der Aufwand schien sich zu lohnen. Etwas von der Begeisterung und dem Elan, den dieser Prediger an den Tag legte, schien überzuspringen. Der junge Mann ging fast beschwingt nach Hause und nahm sich fest vor, all die gehörten Tipps und Tricks auch wirklich umzusetzen.

Doch schon am zweiten Morgen kam er sich reichlich lächerlich vor, als er sich im Spiegel zulächelte und immer wieder skandierte: „Dieser Tag ist mein Tag!“ – Es half nichts, er brauchte anderen Rat, einen Rat, der für ihn ganz persönlich passte.

So suchte er einen Coach auf, der ihm von einem Freund als einer empfohlen worden war, der jedes Problem zu lösen versteht. Er erklärte ihm seine Situation und gemeinsam arbeiteten sie daran. Sie suchten nach den Dingen, die dem jungen Mann die Motivation rauben, nach den Bedingungen, die ihm neue Energie verschaffen könnten, vereinbarten konkrete Schritte, die anzugehen wären. Und auch dieser Versuch blieb nicht gänzlich ohne Erfolg. Es zeigte sich tatsächlich hier und da wieder etwas Licht in der Trübsal seiner Antriebslosigkeit. Aber zugleich war das alles sehr mühsam und anstrengend. Energie und Motivation fühlten sich anders an. Das wusste er noch sehr genau.

Eines Tages schließlich suchte er in seiner Not das Gespräch mit einer alten weisen Frau, die in einem Kloster in der Nähe seiner Stadt lebte und von deren Weisheit er schon viel gehört hatte. Ihr unscheinbares Wesen und ihre ruhige, konzentrierte Ausstrahlung ließen ihn schnell zweifeln, ob diese Frau wirklich Motivation und Energie in ihm wecken könnte. Doch zugleich fühlte er sich in ihrer Gegenwart auf eine eigentümliche Weise wohl. War es ihr freundlicher, offener Blick oder das verschmitzte Lächeln, das ab und an aufblitzte, als er von seiner Situation und seinen vergeblichen Versuchen erzählte? Egal. Die Frau hörte ihm eine ganze Weile zu. Als sie endlich das Wort ergriff, war er sehr gespannt.

Sie erzählte ihm von einem Brauch im Volk Israel, von dem auch das Alte Testament berichtet. Jedes siebte Jahr wurde dort ein sogenanntes Sabbatjahr gehalten. Alles Leben, alle Aktivitäten wurden auf ein Mindestmaß zurückgefahren. Die Felder ließ man in diesem Jahr brach liegen. Der Boden konnte sich auf diese Weise erholen und neue Kraft schöpfen... – „Vielleicht bist Du gerade auch in so einer Sabbatzeit. Deine einzige Aufgabe ist es, das Notwendigste zu erledigen und ansonsten nichts zu tun außer: Erholen und warten auf das, was kommt!“

Der junge Mann war sichtlich enttäuscht von diesen Worten. Und doch verließ er das Kloster mit nachdenklichen, aber fast schon ein wenig beschwingten Schritten. Immer wieder dachte er in den nächsten Tagen an die Worte der Alten und jedes Mal wieder spürte er eine gewisse Erleichterung, etwas, das sein betrübtes Wesen leicht und frei machte. Er begann, seine Antriebslosigkeit zu genießen.

von: Dr. Ralph Neubert, aus: Motivation. Bewegen und bewegen lassen. Werkbrief für die Landjugend © Landesstelle der Katholischen Landjugend Bayerns, München 2008., In: Pfarrbriefservice.de

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Text: Dr. Ralph Neubert
In: Pfarrbriefservice.de