Leben setzt sich durch

Eine Ostererfahrung

Er heißt Lance und ist sieben Jahre alt. Er lebt in Miami in den USA und gehört zu Claudia und Caio. Er ist ein Dackel und mittlerweile als Super-Hund weit über die Grenzen des Landes hinaus bekannt. Claudia und Caio leiden sehr darunter, dass sie keine Kinder bekommen können. Lance hat von daher ein bisschen die Kind-Rolle eingenommen, nur zu verständlich, dass die beiden sehr an ihrem Tier hängen.

Dackel sind aufgrund ihres Körperbaus immer gefährdet, einen Wirbelsäulenschaden zu bekommen. Genau das ist Lance im Alter von vier Jahren passiert. Durch einen Bandscheibenvorfall wird ein Nerv in der Wirbelsäule von Lance so verletzt, dass seine Hinterbeine gelähmt sind. Eine Operation kann Schlimmeres verhindern, aber die hintere Lähmung bleibt. Auch mit dem Schwanz kann der kleine Dackel nicht mehr wedeln, Claudia und Caio lernen daher, seine Freude oder Enttäuschung von seinen Augen und Ohren abzulesen. Und weil sie den Hund so gern haben, sind sie entschlossen, alles Denkbare zu unternehmen, um ihren kleinen Liebling zu behalten. Schließlich hat ein Arzt eine geniale Idee: Er verbindet ein kleines Metallgestell mit zwei Rädern so mit dem Hinterteil des Hundes, das sich Lance wieder richtig bewegen kann. Die Vorderbeine sind ja gut trainiert – und so wird Lance eine richtige Rennsemmel. Und dann hat ein Freund eine noch genialere Idee: Lance kann doch mit seiner gemeisterten Behinderung anderen zum Vorbild werden. Er bekommt eine zweimonatige Ausbildung zum Therapiehund und „arbeitet“ seit dieser Zeit im Miami Childrens Hospital bei kranken Kindern.

Der Erfolg ist beeindruckend: Wenn Lance nur in die Nähe eines kranken Kindes kommt, hebt sich seine Stimmung in ungeahntem Ausmaß. Kinderaugen leuchten, die Angehörigen lachen und freuen sich zusammen mit ihren kleinen Patienten. Lance sorgt einfach für neue Gesprächsthemen. Aber er schafft es nicht nur, die kleinen Sorgenkinder für ein paar Momente abzulenken. Viel mehr noch: Er ist tatsächlich zu einem großen Vorbild geworden: Denn wenn der kleine Lance es geschafft hat, mit seiner Krankheit umzugehen und so einen sinnvollen Job zu machen, dann gibt das auch den Kindern Mut, nicht zu resignieren, sondern mit ihrer Einschränkung leben zu lernen.

Claudia und Caio, die „Eltern“ von Lance, sagen sogar mittlerweile, sie haben soviel von dem kranken Hund profitiert, wie ihnen nie im Leben ein gesunder Hund gegeben hätte.

Für mich ist das – so seltsam es vielleicht klingt – eine Ostererfahrung. Dort, wo Menschen unüberwindliche Grenzen und Barrieren im Leben entdecken, dort gibt es auch Kräfte und Ideen, die zum Leben führen. Sie vermitteln in meinen Augen eine Ahnung davon, dass das Leben immer stärker ist und dass es sich durchsetzen will gegen jeden Untergang.

Nicht immer ist ein Therapiehund zur Stelle und sicherlich könnte er auch nicht in jeder leidvollen Situation ein Lachen und ein Staunen in die Herzen der Betroffenen zaubern. Aber für mich ist Lance ein Platzhalter für eine unbeugsame Lebenskraft. Ich denke in diesen Wochen an eine junge Familie, die sich nach einem ersten schwer herzkranken Kind nochmal zu einem zweiten Kind entschlossen hat. Wenige Wochen nach der Geburt stellen die Ärzte fest, dass die kleine Eva wohl nie sehen können wird. Ein schwerer Schlag, eine immense Belastung für die ganze Familie, da gibt es nichts schön zu reden. Und doch stelle ich mir vor, wie der 10 Jahre ältere Bruder, der schon viel im Leben überstanden hat, für seine kleine Schwester sorgen wird und wie beide Kinder ihren Eltern neben allen schweren Sorgen auch tiefe Freude bereiten werden.

Leben setzt sich durch. Eine Ahnung von Ostern.

Christoph Seidl

Quelle: Deutschlandfunk, Morgenandacht vom 27.04.2011, http://www.dradio-dw-kath.eu/, In: Pfarrbriefservice.de

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Text: Christoph Seidl
In: Pfarrbriefservice.de