LAURA*

Interessiert sich für unterschiedliche Länder und Kulturen und lernt gern Sprachen

„Rassismus, insbesondere Alltagsrassismus, begleitet mich schon lange, seit ich denken kann. Meistens erlebe ich latenten Rassismus bzw. ‚microaggressions‘, das heißt Dinge, die auf andere sehr harmlos wirken. Früher, als Kind, musste ich mir häufig von anderen fremden Kindern oder Jugendlichen solche nervtötenden dummen Sachen wie ‚Ching chang chong‘ oder auch diese vermeintlich ‚harmlosen‘ Begrüßungen wie ‚Konnichiwa‘ oder ‚Ni hao‘ anhören, die in vielen Fällen eben nicht freundlich gemeint waren, sondern meistens dazu dienten, sich über die asiatischen Sprachen oder über Asiaten lustig zu machen. Heutzutage passiert mir so was glücklicherweise nicht mehr so oft wie früher.

Nichtsdestotrotz macht mich das jedes Mal wütend. Das geht nicht nur mir so, sondern auch allen anderen asiatischen Deutschen und Asiaten, die ich kenne. Was das Problem dabei ist? Ich für meinen Teil bin weder Japanerin noch spreche ich Hochchinesisch. Mit solchen Begrüßungen und Sprüchen werde ich zum Fremden gemacht und zwar nur, weil ich asiatisch aussehe. Genau diesen Mechanismus nennt man auch ‚Othering‘. Die Frage ‚Wo kommst du her?‘ mit dem anschließenden Nachbohren, wo ich denn eigentlich herkomme, kenne ich natürlich auch allzu gut.

Ich habe ebenfalls sowohl verbale als auch körperliche Attacken erlebt, zum Beispiel bin ich früher gelegentlich mit voller Absicht geschubst worden. Woher ich weiß, dass es mit Absicht passiert ist? Weil die Leute, die mich geschubst haben, sich darüber gefreut haben, dass ich am Boden lag. Oder ich bin als ‚Chinesenfotze‘ beleidigt worden oder mir wurde ‚Ihr Sch**ß Chinesen‘ hinterhergerufen. Als chinesischstämmige Deutsche muss(te) ich immer wieder Klischeefragen wie ‚Isst du Hunde und Katzen?‘ beantworten.

Selbst an der Universität – als weltoffen geltender, multikultureller sowie multiethnischer Ort – war ich vor Rassismus nicht sicher. Einmal musste ich an meiner Uni einen Zettel bei einer Sekretärin abholen. Sofort feindete sie mich an und sagte mir in einem belehrenden, herablassenden Ton, dass ich meine Tasche auf den Stuhl stellen soll, damit ich das Blatt gescheit in meine Tasche einstecken kann, denn schließlich herrsche hier in Deutschland Ordnung. Ich war in dem Moment total geschockt und irritiert zugleich, weil ich zum einen selbst deutsch bin und weil es zum anderen so klang, als ob in meinem vermeintlichen Heimatland keine Ordnung herrsche. Sofort habe ich ihr entgegnet, dass ich hier aufgewachsen bin. Ihre Reaktion darauf: ‚Ach so, dann wissen Sie schon, wie es hier abläuft.‘ Später hat sie mich seltsamerweise gefragt, ob ich denn die deutsche Staatsbürgerschaft besitze. Ich: ‚Ja, ich bin auch noch hier geboren.‘

Neben dem negativen Rassismus erlebe ich ebenso den ‚positiven‘ Rassismus als das andere Extrem, beispielsweise ‚Du bist doch Chinesin, also kannst du bestimmt gut zeichnen oder Tischtennis spielen‘, ‚Asiaten haben alle so schöne Haare‘ oder ‚Ich find’s gut, dass du ‚anders‘ bist!‘ Wie meine Erlebnisse zeigen, werde ich oft als Ausländerin abgestempelt. Und selbst wenn ich sage, dass ich aus Deutschland bin, werde ich trotzdem auf meine Ethnizität reduziert. Leute tun so, als ob ich an mein ‚Asiatischsein‘ gebunden wäre.“

Quelle: Broschüre „Wir nehmen Rassismus persönlich“, Amnesty International, 2016, www.amnesty.de/gegen-rassismus, In: Pfarrbriefservice.de

*Name geändert

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Das Schwerpunktthema für Februar 2022

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Text: Broschüre „Wir nehmen Rassismus persönlich“, Amnesty International, 2016, www.amnesty.de/gegen-rassismus
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